Tag 5: 06.02. 2014 in Nosy Bé und Nosy Komba, Madagaskar - Kreuzfahrt MS HAMBURG im Indischen Ozean vom 01.-18. Februar 2014 mit Mauritius, Madagaskar, Kenia, Sansibar und den Seychellen
Unmittelbar nach Mitternacht erreichte der Wind kurzzeitig seinen Höhepunkt von mehr als 7 Windstärken beim Umrunden der Nordküste von Madagaskar. Die Wellen zerschellten in unregelmäßigen Abständen mit einem lauten Krachen an der stählernen Bordwand. Zwar legte sich der Wind in den frühen Morgenstunden merklich aber ein Wetterumschwung stellte sich ein. Vorbei war es mit dem sonnigen und idyllischen Wetter. Der Morgen begrüßte uns mit starken Regenfällen und tief hängenden Wolken. Beim Blick durch die Fenster vermittelte das graue Einerlei eher den Eindruck sich in Nordeuropa als im Indischen Ozean zu befinden. Öffnete man allerdings die Tür zum Freideck, dann stellte auch der kälteempfindlichste Reisegast schnell fest „wir sind in den Tropen“. Der Regen war mindestens so warm wie das Meerwasser und die Luft, die Temperaturen lagen alle um die 30°C!
Foto: die Insel Nosy Bé kommt in Sicht, die feuchte Luft hängt in den Berghängen fest.
Für die heutigen Landgänge wurden Lunchboxen in der Lounge zur Verfügung gestellt.
Um 10:00 Uhr erahnte man langsam die Umrisse der Insel Nosy Bé, welche zu Madagaskar gehört. Die Insel Nosy Bé befindet sich ca. 10 km vor der Nordwestküste von Madagaskar und ist etwa 325 km² groß. Der NameNosy Bé bedeutet in Malagasy „große Insel“. Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und gehört zur Provinz Antsiranana. Inselhauptstadt ist das kolonial geprägte Andoany. Der alte und auch heute noch meist genutzte Name ist Hell-Ville. Auf der Insel herrscht ein feucht-warmes Mikroklima, dazu regnet es dort oft und nur selten wehen stärkere Winde. Nosy Bé ist touristisch relativ gut erschlossen, wird durch eine mangelnde Infrastruktur jedoch in der weiteren Entwicklung gebremst. Auf dem fruchtbaren Vulkanboden werden in erster Linie Ylang-Ylang, Zimt, Nelken, Vanille und Pfeffer angebaut. Die einst großen Zuckerrohrplantagen und die Rumdestillerie existieren heute nicht mehr. Vom Flughafen im Osten der Insel erreicht man die Hauptstadt Antananarivo sowie die Komoren und Réunion.
Foto: unzählige dieser Pirogen kamen uns entgegen und begrüssten die MS HAMBURG und ihre Passagiere
Unsere Aufmerksamkeit galt heute jedoch nicht der Insel Nosy Bé sondern der benachbarten Insel Nosy Komba, auch die Lemureninsel genannt.
Je näher sich die MS HAMBURG der Küste und ihrem Ankerplatz näherte, umso lebendiger wurde es auf dem Wasser um uns herum. Mehr und mehr Pirogen nahmen Kurs auf die MS HAMBURG. Die Pirogen sind einfache, traditionelle und zugleich historische Segelboote mit denen die Einheimischen Waren über das Wasser transportieren oder zum Fischen auf das Meer hinaus fahren. Diese Pirogen weisen unterschiedliche Größen auf und sind in der Regel mit einem Segel und ein bis zwei Auslegerkanus ausgestattet. Eine Piroge ist ein Einbaum bei dem die Seitenwände durch aufgesetzte Planken erhöht wurden. Das Wort Piroge ist abgeleitet vom französischen „pirogue“, das vom spanisch-karibischen „piragua“ abstammt. Mit Pirogen werden auch sehr weite Distanzen zurückgelegt. So nimmt man beispielsweise an, dass Madagaskar vor ca. 2000 Jahren mit Pirogen von Borneo in Indonesien aus besiedelt wurde. Traditionell sind die Pirogen mit Paddeln bestückt, immer öfter sieht man aber kleine Außenbordmotoren an diesen schönen Schiffen. Diese Pirogen sind ideal für die Anlandung an flachen Sandstränden und können trotz ihrer in diesem Fall geringen Größe erstaunlich viel Ladung aufnehmen. Schwappt einmal Wasser in die Holzboote, so wird es mit einem kleinen Behälter wieder abgeschöpft.
Zwischenzeitlich hatte der Regen etwas nachgelassen und der Anker der MS HAMBURG ist in der geschützten Bucht vor der Insel Nosy Bé gefallen.
Foto: mit diesen kleinen Motorbooten starteten wir zu unseren Ausflügen direkt von Bord der MS HAMBURG aus
Direkt von der Tenderpforte der MS HAMBURG aus begann heute unsere Fahrt zur Insel Nosy Komba. Die Insel besteht aus einem kreisrunden Vulkan mit einer Höhe von 621 m, der fast vollständig von dichtem Wald und Plantagen bewachsen ist. Die Anreise dauerte etwa 15 Minuten und erfolgte mit kleinen Motorbooten, die maximal Platz für 15 Personen boten. Auf der recht ruhigen Hinfahrt über das glatte Wasser ahnten wir noch nicht, welch abenteuerliche Rückfahrt uns bevorstehen würde. Die kleinen Motorboote landeten am Strand des Dorfes Ampangorinana im Norden der Insel.
Während die Insel Nosy Bé der am besten entwickelte Tourismusort in Madagaskar ist und es auch Hotels mit westlichem Standard gibt, so ist die Insel Nosy Komba noch deutlich ursprünglicher. Insgesamt wird der Tourismus aber auch auf der Insel Nosy Bé durch eine mangelhafte Infrastruktur und auch durch eine Zunahme der Kriminalität gebremst.
Foto: nasse Anlandung am Strand von Ampangorinana auf der Insel Nosy Komba
Angekommen am Strand von Nosy Komba glaubte man sich in Zeiten der Entdecker zurück versetzt. Natürlich waren wir nicht die einzigen Touristen, die jemals ihren Fuß auf die Insel gesetzt haben aber die Szenerie am Strand ließ es beinahe vermuten. Unser gesamter Aufenthalt wurde leider begleitet vom stetigen Regen der sich noch verstärkte und die Wege der Ortschaft in rutschige Schlammpisten verwandelte. Durch die nasse Anlandung mit Badeschuhen ausgerüstet konnten uns Schlamm und Wasser jedoch nichts anhaben. Abgesehen davon lagen die Temperaturen ja weiterhin nahe der 30° Marke.
Foto: Blick in das erste Klassenzimmer der Inselschule von Nosy Komba
Als eine der wenigen Teilnehmer erhielten wir die Möglichkeit einen Blick in die Dorfschule von Ampangorinana zu werfen, in der gerade Unterricht stattfand. Die Lehrer erlaubten uns einen Blick in die Klassenzimmer, was sowohl bei uns als auch bei den dortigen Schülern eine entsprechende Begeisterung hervorgerufen hat. Die kleinen Klassenräume waren zweckmäßig eingerichtet mit einer Tafel, Tischen und Bänken. Die Wände zierten bunte Bilder, die aufgrund der Dunkelheit in den Räumen zunächst nicht erkennbar waren. Die Fotos, die wir dort machen durften, zeigen erheblich mehr Details als wir persönlich vor Ort wahrnehmen konnten. Licht ist nur durch die wenigen Öffnungen in den Wänden eingefallen, klassische Fenster gab es keine.
Foto: Blick in das zweite Klassenzimmer der Inselschule von Nosy Komba
Die Schule wieder verlassen zeigte man uns freilebende Lemuren, Chamäleons und junge Boas, welche mit einer Länge von „nur“ zwei Metern noch sehr klein ausgefallen sind. Ob es auf den Nachbarinseln nun wirklich 8 m lange Anakondas gibt, wie man uns berichtete, bleibt bedauerlicher Weise ungeklärt. Eine solche Schlange wäre mit Sicherheit ein ausgefallenes Fotomotiv gewesen. Deutlich mehr als die Lemuren zogen uns die Inselbewohner in ihren Bann. Zwar haben sich diese inzwischen auch auf Touristenbesuche eingestellt und verkaufen in erster Linie handgefertigte Tischdecken und Gewürze aber sobald man die Hauptwege verlässt und einen Abstecher hinter die Häuser macht, so wird der reale Lebensstandard sehr schnell erkennbar.
Foto: in diesen Holzhütten wohnen die Inselbewohner von Nosy Komba
Wir mussten schon bald feststellen, dass Dollarnoten weniger beliebt waren als der Inhalt unserer mitgebrachten Lunchpakete. So entpuppte sich unsere Anlandung noch als kleine Hilfslieferung an Lebensmitteln. Insbesondere unter den Kindern kam es dabei zu rührenden Szenen. Den strömenden Regen und die völlig verschlammten Wege haben wir zeitweise gar nicht mehr wahrgenommen, so beeindruckend waren die örtlichen Gegebenheiten und so unglaublich die Gegensätze auf so wenigen Quadratmetern. Die Hauptwege hat man für den Besuch der Touristen herausgeputzt und es entstand der Hauch eines Gedanken an relativen Wohlstand. Mütter bereiteten für die Kinder den frisch gefangenen Fisch und zeigten nebenbei stolz ihre handgefertigten Tischdecken.
Foto: völlig unverfälschte Eindrücke vom Inselleben erhielt man sehr schnell abseits der Hauptwege
Wie relativ dieser anscheinende Wohlstand jedoch ist, wurde nur wenige Meter weiter schnell erkennbar. Frischwasser wurde in Form von Regenwasser in Tonnen gesammelt und die Verpflegung bestand in erster Linie aus Fisch und Obst der Region. Der Geschmack der Lebensmittel vom Schiff löste daher sichtliche Begeisterung aus. Abwasserleitungen sind unbekannt und Frischwasser erhält man offiziell an einer zentralen Stelle im Dorf oder sammelt es selbst bei Regenfällen. Von Armut auf der Insel Nosy Komba zu sprechen wäre nun deutlich übertrieben aber auch diese extrem einfachen Lebensverhältnisse haben bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Lebensmittel in unseren Rucksäcken haben wir daher mit Freude auf der Insel gelassen und waren froh über den Tipp von Bord der MS HAMBURG, die Rucksäcke etwas großzügiger zu füllen.
Foto: auch ohne Reichtum blickte man durchweg in fröhliche Gesichter der Familien auf der Insel
Auf dem Rückweg zum Strand hatte ich noch die Gelegenheit mir von einem der Inselbewohner stolz seine handgefertigte Piroge aus der Nähe zeigen zu lassen. Unsere örtlichen Reiseleiter wurden jedoch immer unruhiger und drängten zum Aufbruch bzw. zur Rückfahrt zur MS HAMBURG, leider wurde dadurch auch das informative Gespräch unterbrochen. Zunächst konnten wir die Beweggründe dieser Aufregung gar nicht nachvollziehen, denn es regnete zwar unaufhaltsam und der Wind hatte stark aufgefrischt aber das Wasser zeigte sich weiterhin glatt und ruhig…
Foto: die Kinder auf Nosy Komba haben auch ohne elektronische Dauerbespaßung noch Freude
Foto: am Strand von Nosy Komba
Foto: die Kinder im Dorf posieren gerne für ein Foto und freuten sich über unsere Lunchpakete
Besonders konsequent wurde diesmal die Sitzordnung im kleinen Motorboot durchgesetzt und wir wurden angehalten alle elektronischen Gegenstände wasserfest zu verpacken. Mit Murren folgte ich schließlich auch den Hinweisen, war mir zu diesem Zeitpunkt jedoch sicher, dass die Kamera den Regen schon aushalten würde.
Foto: am Strand von Nosy Komba
Foto: eine der vielen Pirogen am Strand von Nosy Komba
Was uns dann wirklich erwartete, hat sämtliche Vorstellungen und vorangegangenen Erlebnisse bei Weitem übertroffen. Die Rückfahrt entpuppte sich nach dem Verlassen der schützenden Bucht der Insel sehr schnell als Abenteuerfahrt durch hohe Wellentäler und Wasserberge. Das kleine Boot sprang in den gut 1,6 m hohen, kurz aufeinander folgenden Wellen auf und ab wie ein Wasserball. Bei jedem Absinken in die Wellentäler krachte der Bug tief in das Wasser und schaufelte das salzige Meerwasser mitten in den Innenraum. Mehrfach wurden wir voll von den Wellen erwischt, was an eine Fahrt auf wilden Stromschnellen erinnerte. Der starke Wind peitschte den Regen zusammen mit dem Meerwasser über das gesamte Motorboot. Hoch konzentriert und sicher steuerte unser Bootsführer uns im „Zick-Zack-Kurs“ immer weiter in Richtung MS HAMBURG. Da das kleine Motorboot aufgrund der Wellenhöhe nur direkt auf die Wellen gesteuert werden konnte, zog sich der Trip entsprechend in die Länge. Unser Sohn war zu diesem Zeitpunkt der einzige Fahrgast, der sichtlich Spaß an diesem „Ritt“ hatte.
Tropfnass, um ein Abenteuererlebnis reicher und mit vielen Eindrücken im Gedächtnis erreichten wir nach ca. 20 Minuten Fahrtzeit wieder die MS HAMBURG. Wir haben diese Rückfahrt in jedem Fall als Abenteuer und Bestandteil einer Kreuzfahrt fernab der Touristenströme im Gedächtnis verbucht. Noch nie sind wir auf einer Bootsfahrt so nass geworden und am Ende war ich dankbar für den Tipp zur Sicherung der Kamera. Einen Tauchgang durch das Meerwasser hätte selbst die beste Gummidichtung nicht überlebt.
Völlig unverständlich allerdings waren für uns die Szenen anschließend an der Rezeption. Von lebensbedrohlichen Zuständen und Todesängsten sowie von Horrorzuständen und vorsätzlichen Massenhinrichtungen war die Rede. Völlig unverständlich aus doppeltem Grunde. Erstmal haben alle Reiseteilnehmer schon beim ersten Vortrag auf der MS HAMBURG die Information erhalten, dass diese Reise eher einen Expeditionscharakter haben wird und wir uns auf außergewöhnliche Erlebnisse einstellen sollten und außerdem wurden alle Teilnehmer der Ausflüge nochmals vorher darüber informiert, dass die Rückfahrt etwas nasser werden könnte. Gut, von einer „Komplettwäsche“ war nicht die Rede aber die Rückfahrt war weit entfernt von einer Horrorfahrt und zu keinem Zeitpunkt haben sich aus unserer Sicht lebensbedrohliche Situationen gezeigt. Zumindest nicht in unserem Boot. Da alle Ausflugsboote aber ähnlich konstruiert waren, halten wir die geschilderten Geschehnisse für weit übertrieben. Reisegäste, die mit Föhnfrisur und Designertasche zu dieser Anlandung aufgebrochen sind, wurden eben am Ende eines Besseren belehrt und mussten feststellen, dass dies – wie angekündigt – eben keine beschauliche Hafenrundfahrt werden sollte. Offenbar sind einige Teilnehmer auch zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Motorboot gefahren und hatten keinerlei Vorstellung darüber, dass man eben nicht in einem abgeschlossenen Tenderboot sitzt – die ausführlichen Erklärungen an Bord der MS HAMBURG sind dabei offenbar in Vergessenheit geraten.
Foto: bis zur Abfahrt der MS HAMBURG umkreisten unzählige Pirogen das Schiff
Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten – bestimmte Gesichter traten im Verlauf der Kreuzfahrt regelmäßig in Erscheinung und haben die Crew mit ihren haarsträubenden Eskapaden beinahe schon penetrant belästigt.
Für uns und viele weitere Reisegäste war dieser Tag trotz des Dauerregens ein besonders erlebnisreicher, eindrucksvoller und wunderbarer. Eben kein Tag an einer Megapier mit 4.000 anderen Touristen, sondern ein abenteuerlicher auf einer einzigartigen Insel vor der Küste von Madagaskar. Ein Tag auf einer Insel die noch nicht zugepflastert ist mit Souvenirläden und Verkaufsständen und noch in den Kinderschuhen des Tourismus steckt. Unsere Nasen durften den Geruch von Gewürzen und undefinierbaren Aromen einatmen und wurden nicht von Sonnenmilch und Schweißabsonderungen des Massentourismus geplagt.
Die Bevölkerung zählt übrigens zu den herzlichsten denen wir bislang begegnet sind.
Unsere MS HAMBURG hat die Reede von Nosy Bé, Madagaskar um kurz vor 17:00 Uhr verlassen und Kurs auf Mamoudzou, Komoren genommen. Die Entfernung beträgt 180 sm bzw. 333 km. Das Wetter heute: Regen bei 30°C.
Foto: Strandleben auf der Insel Nosy Komba
Es hat noch eine Zeit lang gedauert, bis die letzte Piroge am Horizont und das letzte Lächeln in den Gesichtern der Inselbewohner verschwunden waren…
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