zurück zum Reisebericht Teil 2 >>Link<<
Tag 8: 09. Januar 2017 (vormittags) – Cuverville Island, Grahamland, Antarktis
Der Tag in Neko Harbour sowie die Panoramafahrt entlang der Eisberge und Gletscher in der Gerlache-Strasse gestern war definitiv ein absoluter Reisehöhepunkt, denn viel spannender kann eine Antarktis Kreuzfahrt nicht sein. So lautet unser Fazit bisher. Diese Meinung vertreten neben uns die meisten Reisenden, mit denen wir uns am Abend unterhalten haben.
Heute steht der Besuch in einer Kolonie Eselspinguine auf Cuverville Island im Programm. Um 05:00 Uhr erreichen wir die vorgesehene Position auf der die MS HAMBURG verbleiben wird. Besonders auffällig ist der Geruch von Pinguinen, der schon lange vor unserer Ankunft auf Cuverville Island über die Schiffsdecks zieht.
Die Sonne kämpft sich gerade durch die Wolkendecke, da sind bereits sechs Zodiacs zu Wasser gelassen. Wie vor allen Landgängen ist ein Schuhbad in einem speziellen Desinfektionsmittel für alle Teilnehmer sowohl vor als auch nach den Anlandungen obligatorisch. So soll vermieden werden, dass Anhaftungen von einer Insel zur nächsten transportiert oder Schmutzpartikel vom Schiff mit an Land gebracht werden. Dementsprechend sind Plastikbehälter an der Tenderpforte aufgestellt, durch die alle Passagiere laufen müssen. Das funktioniert prima und erspart zusätzlich die Reinigung des Schuhwerks auf den Kabinen.
Foto: Früh am Morgen mit dem Zodiac vor Cuverville Island, Antarktis
Ein phantastischer Morgen erwartet uns in der kleinen Bucht von Cuverville Island, das Empfangskomitee der Eselspinguine steht natürlich schon bereit. Besonders interessant sind einige Walknochen, die unmittelbar am Steinstrand herumliegen und gerade erst vom abtauenden Schnee freigegeben wurden. Die Insel Cuverville Island hat nur eine Länge von 1,4km und eine Breite von 970m, wird ausschließlich von Eselspinguinen sowie einigen Skuas bewohnt. Entdeckt wurde Cuverville Island auch von Adrien de Gerlache im Rahmen seiner Belgica-Expedition.
Foto: Blick über Kolonie Eselspinguine und die Bucht von Cuverville Island, Antarktis
Zu den herausragenden Besonderheiten der Insel zählt die malerische Bucht, in der die Eisberge wie Sahnetorten auf der Wasseroberfläche zu treiben scheinen und kleinere Eistrümmer eine zierende Beilage bilden. Im Hintergrund beeindrucken imposante Gletscher in einer wilden Schneelandschaft. Die Sonne steht zu dieser Uhrzeit tief am Horizont und taucht die Szenerie in ein weiches Licht. Zarte Pastelltöne erfreuen das Auge bis zum Horizont. Jeder Maler und Künstler hätte seine Freude an dieser Vorlage, wie sie nur die Natur schaffen kann.
Wir lassen uns heute vom Geschehen in der Pinguin-Kolonie gefangen nehmen und schauen dem lustigen Treiben ausgiebig zu. Einzelne Skuas (Raubmöwen) kreisen über der Kolonie oder warten geduldig auf die Unvorsichtigkeit der Pinguineltern, um sich im richtigen Moment eines deren Jungtiere greifen zu können.
Foto: Fütterung junge Pinguine auf Cuverville Island, Antarktis
Am Ende des heutigen Landgangs punktet dieser Aufenthalt auf Cuverville Island zwar nicht mit einem ganzen Feuerwerk an Highlights, wie die Passage durch die Gerlache-Strasse gestern, aber diese Anlandung ist für sich eine ganz wunderbare und einprägsame, sodass die Erlebnisse als traumhaftes Gesamterlebnis im Gedächtnis bleiben werden. Cuverville Island zeigt auf ganz besondere Weise, wie vielfältig das Landschaftsbild sein kann und wie unterschiedlich der Aufbau und die Anordnung einer großen Kolonie von Pinguinen.
Um 12:00 Uhr verlassen wir dieses zauberhafte Fleckchen Erde und nehmen Kurs auf den bekannten und in Reiseberichten oft genannten Neumayer-Kanal. Der Neumayer-Kanal ist eine Meerenge im Palmer-Archipel vor der Antarktischen Halbinsel. Er ist 26km lang und ca. 2,4km breit, trennt Anvers-Island von Wiencke-Island sowie Doumer-Island. Die Entdeckung der südwestlichen Einfahrt erfolgte im Jahr 1873/1874 durch Eduard Dallman, dem Leiter einer deutschen Antarktis-Expedition. Er nannte ihn Roosen-Kanal. Die belgische Antarktis-Expedition unter Adrien de Gerlache befuhr ihn schließlich komplett und benannte ihn nach Georg von Neumayer, einem deutschen Geophysiker und Polarforscher.
Während der ersten Kilometer im Neumayer-Kanal haben wir offen gestanden auf Motivhighlights gewartet, die in etwa mit den bereits gesehenen vergleichbar sind. Diese fanden wir jedoch nicht, denn die Klippen sind zweifelsfrei steil aber da der Kanal insgesamt breiter bzw. unsere Fahrrinne weiter von der Uferlinie entfernt ist als es bei der Passage in der Gerlache-Strasse der Fall war, erscheinen die Berghänge entsprechend kleiner. Sind wir etwa schon zu kritisch mit der Beurteilung? Noch einige Kilometer weiter und starker Schneefall stellt sich ein. Nun ist die Sicht ohnehin komplett verschwunden. Wir kommen zu keinem abschließenden Ergebnis und widmen uns dem leckeren Mittagsbuffet. Für heute Nachmittag steht eine Anlandung auf Wiencke Island in Dorian Bay auf dem Programm.
Tag 8: 09. Januar 2017 (nachmittags) – Dorian Bay, Wiencke Island
Es schneit und schneit und schneit – aber der Wellengang hält sich in der geschützten Bucht von Dorian Bay in Grenzen, sodass einer Anlandung nichts im Wege steht.
Ein Sonnenbrand ist garantiert!
Nach dem Einstieg in unser Zodiac fragen wir uns, wie hier in der Antarktis wohl der Winter aussehen mag, wenn das derzeitige Schneetreiben der Sommer sein soll. Und was bei einem Blick vom Sonnendeck aus noch ganz harmlos aussieht, entpuppt sich bei voller Fahrt im Zodiac als waschechter Schneesturm. Der Zeitpunkt für einen Hinweis zum Thema „Sonneneinstrahlung in der Antarktis“ ist zwar gerade denkbar schlecht, aber es ist allen Antarktis-Reisenden dringend empfohlen, Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor mitzunehmen und auch zu benutzen! Die Sonneneinstrahlung ist wirklich extrem und dazu wird sie von Wasser und Schnee noch reflektiert. Natürlich haben wir alle vorherigen Warnungen für übertrieben gehalten, schließlich liegt unser letzter Sonnenbrand ungefähr 30 Jahre zurück und auch in den tropischen Regionen dieser Welt sowie in Skigebieten sind wir ohne Sonnenbrand wieder abgefahren. Nun haben wir den schlimmsten seit Jahrzehnten! Wer nicht hören will…
Im Moment wäre allerdings eine Skibrille hilfreicher, denn unser Zodiac-Driver vermittelt durch das rasante Fahrtempo annähernd das Gefühl sich in einem Schneesturm zu befinden. Diese pusten mitunter allerdings in dreifacher Geschwindigkeit über die von Schnee und Eis bedeckte Küste. Kaum vorstellbar. Nach ca. 10 Minuten Fahrt beginnt der Landaufenthalt auch heute wieder mit einem beherzten Sprung in das kristallklare Wasser am steinigen Ufer. Ohne Gummistiefel geht hier gar nichts. Sollte man meinen. Dazu später mehr. Vor uns liegt eine kleinere Schneewand von ungefähr 3m Höhe. Die gilt es zunächst über eine in den Schnee geformte Treppe zu erklimmen. Ein gewisser „Entdeckergeist“ wird bei allen Reisenden wach, denn nur schemenhaft ist eine hellblau leuchtende Holzhütte auf einer Anhöhe zu erkennen.
Foto: Schneewand in Dorian Bay, Wiencke Island Antarktis
Bei dieser Hütte handelt es sich um Damoy Hut bzw. Damoy Point. Damoy Hut ist heute eine historische Stätte und befindet sich 100m von der Küstenlinie entfernt. Erbaut wurde sie im Jahr 1975 von der British Antarctic Survey (BAS) als Zwischenstation, um von dort aus zur Rothera Research Station zu fliegen. Seinerzeit ist Dorian Bay meist von Eis bedeckt und nicht mit dem Schiff zu erreichen gewesen. Die Hütte erfüllt heute weiterhin den Zweck als Notfallunterkunft und ist daher nicht verschlossen. Sie kann in kleineren Gruppen von maximal 10 Personen besichtigt werden, was sich als äußerst interessant herausstellt. In unmittelbarer Nähe steht eine weitere Hütte (Bahía Dorian), die von der argentinischen Marine im Jahr 1953 aufgestellt wurde. Diese Hütte ist in keinem sonderlich guten Zustand und leer.
Foto: Damoy Hut station Innenansicht, Dorian Bay, Wiencke Island
Wenn Technik und Schuhwerk versagen
Kaum vorstellbar sind im Grunde Reisende, welche mit leichten Trekkingschuhen und wasserempfindlicher Fotokamera Marke „Einstiegsmodell“ bei derartigen Wetterverhältnissen in der Antarktis an Land gehen bzw. überhaupt erst in die Antarktis reisen. Gut, auch wenn eine wasserdichte Kamera in der Antarktis zwar zu empfehlen ist, kann man sich in so einem Fall mit entsprechenden Schutzmaßnahmen (Plastiktüten, spezielle Schutzhüllen) helfen. Aber Schuhe die nur bis zu den Fußgelenken reichen, sind völlig daneben. Überall, insbesondere in den Vorabinformationen mit den Reiseunterlagen, wurde auf die örtlichen Gegebenheiten hingewiesen und da ist es schon beinahe frech, vor Ort zu kritisieren, dass kein Landesteg vorhanden ist. Während wir die streikende Kameratechnik irgendwo noch nachvollziehen können, so fehlt uns jegliches Verständnis für Reisegäste mit Sportschuhen. Falsches Schiff und falsche Reise, ist unser Fazit dazu.
Foto: Expedition Antarktis, Damoy Hut in Dorian Bay
Der Schneefall lässt wenig später nach, die Sicht auf die Bucht und die umliegenden Berge wird kontinuierlich besser. Am Ende ist der Wetterumschwung so erheblich, dass wir den nahe liegenden Hügel genauer erkunden. Jeden Meter den wir an Höhe gewinnen, wird der Schnee weicher, was zwangsläufig ein tieferes Einsinken bedeutet und kurz vor Erreichen des Gipfels zur Aufgabe zwingt. Eine interessante Erkundungstour ist es allemal, die Aussicht einfach wunderbar.
Foto: Gletscherlandschaft mit Damoy Hut in Dorian Bay, Wiencke Island Antarktis
Direkt unter der Damoy Hut machen wir eine interessante Beobachtung, denn dort brütet ein Skua-Pärchen. Obwohl sie den Namen trägt, gehört diese Raubmöwe zwar zur Vogelfamilie, nicht jedoch zu den Möwen sondern zu den Regenpfeiferartigen. Der Name Skua wird dabei für die größten Vertreter dieser Gattung verwendet, diese leben ausschließlich in polaren Regionen und erreichen eine Körperlänge von 50-60 cm. Die Flügelspannweite liegt zwischen 125 – 140 cm. Skuas leben nicht nur in der Antarktis sondern auch auf Island, in Norwegen sowie den Färöer-Inseln, woher auch der Name Skua stammt. Der Name Raubmöwe trifft auf die Skua sehr gut zu und beschreibt die Verhaltensweise bei der Nahrungssuche. Sie ernähren sich in erster Linie von Fisch, welchen sie anderen Vögeln rauben, sowie von Eiern und Jungtieren brütender Vögel. Pinguine werden dabei nur selten direkt angegriffen sondern in einem passenden Moment überrumpelt, um an das Gelege zu gelangen. Gibt es zum Beispiel mal wieder Streit und eine daraus resultierende Verfolgungsjagd zwischen zwei Pinguinen, so nutzt die Skua den Moment in dem das Nest unbewacht ist und erbeutet Eier und Jungtiere.
Foto: Skua Raubmöwe Dorian Bay, Wiencke Island Antarktis
Ein spannender Nachmittag neigt sich dem Ende und letztendlich haben wir das volle Wetter-Kontrastprogramm miterleben dürfen, von Schneefall bis Sonnenschein ist alles dabei gewesen. Kurz vor unserer Rückfahrt zur MS Hamburg tauchen einige Eselspinguine an unserer Landestelle auf und beobachten die Abreisenden keck. Der schmale Strandabschnitt ist inzwischen fast vollständig überspült, es ist Flut. Nun heißt es, die Höhe der Gummistiefel vollständig auszureizen, um vom Wasser aus in das Zodiac zu steigen. Ein spannendes Unterfangen.
Foto: Panoramablick auf Dorian Bay mit MS Hamburg, Wiencke Island Antarktis
Tief steht die Sonne über Dorian Bay, beeindruckend ist entsprechend die Überfahrt zurück zur MS HAMBURG.
Tag 8: 09. Januar 2017 (abends) – Gerlache Strasse, Flandres Bay und Wale
Es geht wieder los…
Dort wieder angekommen wartet das reichhaltige und leckere Abendbuffet darauf, verspeist zu werden. Die Ruhe soll aber nicht lange anhalten, der Teller auf dem Tisch bleibt erst einmal unberührt. Der Abendhimmel verändert sich gerade im Minutentakt und steckt voller Pastelltöne und Farbkontraste in Form dramatischer Wolkenformationen. Immer wieder sind die Lücken zwischen den Wolken groß genug, die Sonne schickt dementsprechend ununterbrochen ihre Strahlen hindurch. Vor uns liegt eine Traumwelt, aus der wir gar nicht mehr abreisen wollen. „Es geht wieder los“, sagt der Eismaster und in der Tat weiß er mal wieder, wovon er spricht. Die Natur wird noch einmal zu einer Megabühne und haben wir kürzlich noch geglaubt, es gäbe hier keine Steigerung an spektakulären Eindrücken, so sollen wir jetzt eines Besseren belehrt werden.
Foto: Abendhimmel an Bord der MS Hamburg bei Dorian Bay, Gerlache Strasse, Antarktis
Die Abfahrt war sensationell schön und einen Augenblick lang war die Überlegung der Schiffsführung, mit der MS HAMBURG vor der Bucht von Dorian Bay zu driften, dort die Nacht zu verbringen. Diese Idee wird jedoch verworfen, um den Reisegästen möglichst viel „Antarktis Erlebnis“ bieten zu können. Die Sonne geht ja erst gegen Mitternacht für einen kurzen Zeitraum unter und somit gibt es durchgehend ausreichend Licht um auch zu später Stunde die Natur zu bestaunen.
Kapitän Igor Gaber ist kaum in die Gerlache Strasse gefahren, wir befinden uns wieder unweit vom Neumayer-Kanal, da beginnt das Naturspektakel. 10 Kilometer Fahrt durch ein endlos erscheinendes Künstleratelier liegen vor uns, bevor der heutige Tag in der Flandres Bay enden wird. Es ist beinahe unmöglich, den Blick dauerhaft in einem Radius von 360° schweifen zu lassen, um keinen besonderen Moment bei laufend wechselnden Lichtverhältnissen zu verpassen. Eine uns bekannte MS HAMBURG Stammfahrerin bietet sodann spontan ihre Dienste als „Späher“ an. Das soll sich später bewähren.
Foto: Eiswelt Antarktis, von Bord MS Hamburg in der Flandres Bay
Immer wird die MS HAMBURG jeweils von einer größeren Anzahl Buckelwale umkreist, die mit einer durchschnittlichen Länge von 13m zu den kleineren Walen zählen. Buckelwale erreichen eine maximale Länge von 18m, seit 1966 stehen sie unter Artenschutz. Charakteristisch für die Buckelwale ist ihr Tauchverhalten, bei dem sie unter Bildung eines großen Buckels von der Wasseroberfläche abtauchen. Beim Abtauchen ragt mit großer Zuverlässigkeit seine beeindruckende Schwanzflosse aus dem Wasser – ein begehrtes Fotomotiv. Buckelwale sind darüber hinaus auch bekannt für ihre hohen Sprünge aus dem Wasser, welche wir aber nicht beobachten können.
Foto: Zwei Buckelwale, Fluke und Flipper, Flandres Bay, Antarktis
Die komplette Reizüberflutung
Eine Reizüberflutung der Sinne ergibt sich aus der Situation, dass auf der Südseite des Schiffes zwei Wale ihr Bestes im Synchronschwimmen geben, auf der Ostseite die Abendsonne einen Berg zum „Goldenen Horn“ verwandelt und auf der Nord-/Westseite zeitgleich der Mond hinter einer anderen Bergkette aufgeht. Ach ja, im Westen verfärbt die Abendsonne den Himmel währenddessen in einen gelb-rosafarbenes Gemälde, in dem die dunklen Berge mit ihren weißen Schneekappen wie Scherenschnitte herausstechen. Nun zahlt sich unsere „Späherin“ aus, denn zur Erfassung aller Eindrücke sind vier Augen definitiv besser als zwei.
Foto: Abendhimmel in der Flandres Bay, Antarktis
Inzwischen haben wir die Koordinaten erreicht, auf denen wir bis morgen früh verbleiben werden, die Flandres Bay zwischen Gerlache Strasse, Neumayer-Kanal und dem Kap Renard. Irgendwann kurz vor Mitternacht öffnet sich ein Zeitfenster für das Abendessen, danach geht das Lichtspektakel im Dämmerlicht draußen weiter. Die Eindrücke heute Nachmittag übertreffen noch einmal jene aus der Passage in der Gerlache Strasse zwischen Neko Harbor und Paradise Bay. In der Antarktis zu glauben, der Höhepunkt an beeindruckenden Impressionen sei erreicht, ist ein großer Irrtum. Vermutlich gibt es diesen Höhepunkt hier gar nicht, denn selbst bei mehrfachen Reisen in die Antarktis dürften immer andere Licht- und Wetterverhältnisse anzutreffen sein.
Foto: Das Goldene Horn in der Antarktis
Vollkommen überwältigt gehen wir für einen Moment zu Bett, in drei Stunden klingelt der Wecker! Dann fahren wir mit der MS HAMBURG in Richtung Lemaire-Kanal am Kap Renard.
Tag 9: 10. Januar 2017 – Kap Renard am Lemaire-Kanal
Der Tag beginnt, wie geplant, schon um 05:00 Uhr. Die Sonne ist längst aufgegangen und kämpft sich hinter den verschiedenen Wolkenformationen hindurch. Die ursprünglich geplante Fahrt durch den Lemaire-Kanal kann aufgrund der Tatsache, dass sich massive Eisberge im Kanal befinden, nicht realisiert werden. Dafür werden aber für mehrere Stunden Zodiac-Rundfahrten entlang vom Kap Renard angeboten. So eröffnen sich völlig neue Blickwinkel und Sichtrichtungen auf die monumentale Gletscherküste.
Foto: Zodiac Eis-Rundfahrten am Lemaire-Kanal, Antarktis
Das Kap Renard ist bei Antarktis Kreuzfahrten allgemein ein beliebter Zielpunkt, denn die beiden bis zu 747m hohen Doppelfelsen „Una Peaks“ fallen schon aus großer Entfernung auf. Wie auch viele andere Wasserstraßen und Buchten wurde Kap Renard von Adrien de Gerlache im Rahmen der Belgica-Expedition entdeckt, der Lemaire-Kanal jedoch lediglich von Gerlache im Jahr 1898 nach Charles Francois Alexandre Lemaire benannt. Die Entdeckung fand schon 1873 durch den deutschen Polarforscher Eduard Dallman statt. Der Kanal ist nur sechs Kilometer lang und 720m breit, die Berge an beiden Seiten bis zu 1.000m hoch. Der Name der beiden Berggipfel, „Una Peaks“ geht auf Una Spivey, eine Betreuerin des Personals des Falkland Islands Dependencies Survey (FIDS), des späteren British Antarctic Survey (BAS), in den 1940er Jahren auf den Falklandinseln zurück. Seit 1955 trägt der Doppelgipfel auch den Namen „Una´s Tits“, in Erinnerung an Una Spivey.
Foto: MS Hamburg am Kap Renard vor Una Peaks, Antarktis
Es ist Zeit zum Abschied nehmen
Für uns ist nun die Zeit zum Abschied nehmen gekommen. Abschied nehmen von der wundervollen und einzigartigen Gletscherwelt in der Antarktis. Am Mittag verlassen wir das ewige Eis, passieren noch einige Eisberge in der Nähe der Wauwerman Islands und beobachten wenig später ein letztes Mal Krabbenfresserrobben, die sich auf ihren Eisschollen räkeln. Auch unsere liebenswerten und treuen Begleiter, die Pinguine, versäumen ihren Abschiedsgruß nicht und springen munter neben der MS HAMBURG durch das kalte Wasser. Wir werden sie vermissen, auch wenn ihre Duftnote sehr eigenwillig ist. Vermissen werden wir darüber hinaus die Stille, die Unberührtheit der Natur, die Einsamkeit, die saubere Luft, die neu entdeckten Farbschemen und das Geräusch der kalbenden Eisberge.
Foto: Tafeleisberg bei Wauwermans Islands, Antarktis
Die offene See liegt vor der MS HAMBURG. 1.056 Kilometer bis zum nächsten Ziel, Kap Hoorn. Noch einmal steht die Fahrt durch die Drake Passage bevor, die gefährlichste Wasserstraße der Welt. Die zeigt sich im Moment aber äußerst ruhig und friedlich.
Tag 10: 11. Januar 2017 – ein Tag auf See
Unser heutiger Seetag in der Drake Passage verläuft mehr oder weniger ohne spektakuläre Ereignisse. Nachfolgend ein kleiner Auszug aus dem Tagesgeschehen.
Tag 11: 12. Januar 2017 – ein Tag auf See (Umrundung Kap Hoorn)
Wie war das noch…?
Der Wind peitscht die Regentropfen penetrant und unaufhaltsam wie kleine Steingeschosse gegen die Scheiben, das Thermometer zeigt 3 Grad, unser Ziel ist immer noch Kap Hoorn. Zunächst haben wir an Bord erfragt, welche Schreibweise denn nun die korrekte ist – man sieht immer wieder eine unterschiedliche – entweder mit einem „o“ oder doch mit zwei „oo“ in der Mitte. Die Erklärung ist relativ simpel, denn beide Schreibweisen sind korrekt. Kap Hoorn wurde vom niederländischen Seefahrer Willem Cornelisz Schouten aus Hoorn am 29. Januar 1616 erstbeschrieben und zu Ehren des Rates der Stadt Capo Hoorn benannt. Die nördlich von Amsterdam gelegene Stadt war die Heimatstadt von Schouten, der am 14. Juni 1615 zusammen mit Jakob Le Maire und zwei Schiffen (die Eendracht und Hoorn) von der Insel Texel aus in See stach. Nicht zu verwechseln ist Jakob Le Maire (nach dem die Le-Maire-Straße zwischen der Isla de los Estados und dem östlichen Ausläufer des argentinischen Teils Feuerlands benannt wurde, welche er zusammen mit Schouten am 24. Januar 1616 entdeckte) mit Charles Francois Alexandre Lemaire, der den Lemaire-Kanal in der Antarktis entdeckt hat.
Eigentlich war eine Anlandung in Kap Hoorn für heute Nachmittag geplant, doch die Wetterbedingungen sind – wie so oft in Kap Hoorn – sehr schlecht. Der Wind bläst mit über 40 Knoten und die Wellenhöhe beträgt mehrere Meter. Die Küste ist bereits in Sicht.
Foto: Kap Hoorn Umrundung mit MS Hamburg
Kap Hoorn liegt nicht, wie oft vermutet wird, auf dem Festland sondern ist eine Landspitze auf der chilenischen Felseninsel Isla Hornos und abgesehen von den 100km südwestlich von Kap Hoorn gelegenen Diego-Ramirez-Inseln, der südlichste Punkt Südamerikas. Oft wird verbreitet, dass sich der Name Kap Horn von der markanten Bergspitze ableitet, welche sich dort befindet. Wie beschrieben ist das jedoch falsch.
Mythos Kap Hoorn - die Umrundung
Es ist 13:30 Uhr als der Lotse an Bord der MS HAMBURG kommt und die vorgesehene Ankerposition erreicht ist. Sehr gut zu erkennen sind nun der kleine Leuchtturm, das Denkmal für die am Kap Hoorn umgekommenen Seeleute und auch die lange Treppe über die wir eigentlich vom Ufer zum 250m hohen Kap hinaufsteigen wollten. Daraus wird aber nichts, denn zu hoch sind die Wellen, zu gefährlich wäre eine Anlandung mit den Zodiacs für die Reisegäste an Bord. Eine Pier, die einen Einsatz der Tender ermöglichen würde, gibt es nicht. Die Enttäuschung ist einerseits groß, denn letztendlich befinden wir uns an einem absolut legendären Ort, andererseits aber haben wir so viele wunderbare Dinge gesehen, da fällt diese Streichung aus unserer Sicht nicht mehr gravierend ins Gewicht. Letztendlich zählt, dass wir hier gewesen sind und es kommt noch besser, denn Kapitän Igor Gaber entscheidet zusammen mit dem Lotsen, dass wir die Insel einmal komplett umrunden. Ein Erlebnis, welches nicht mit allen Kreuzfahrtschiffen durchgeführt wird. Die Mehrzahl fährt einmal am Kap Hoorn vorbei. Wir gehören nun zu den wenigen Reisenden, die Kap Hoorn wirklich einmal komplett 360° umrundet haben.
Foto: Blick von Bord der MS Hamburg auf Kap Hoorn, Chile
Schätzungen nach sind vor Kap Hoorn mehr als 800 Schiffe verloren und weit mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen. Vor der Küste befindet sich der größte Schiffsfriedhof der Welt. Die Seelen der verstorbenen Seeleute leben heute in Form der vielen Tausend Albatrosse weiter, die hier um das Kap kreisen, so sagt man. Ein wahrlich mystischer Ort, das Kap Hoorn. Zum Gedenken an die Seeleute wurde am 5. Dezember 1992 das auf dem Kap befindliche Denkmal eingeweiht, welches Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h trotzen soll. Es stellt einen stilisierten Albatros dar und wurde im November 2014 bei einem Orkan - entgegen aller Planungen – doch stark beschädigt und später repariert.
Die Umrundung von Kap Hoorn gehörte viele Jahre lang zu den gefürchtetsten Schiffspassagen, denn die permanente Westwinddrift erforderte ein ständiges Kreuzen der Schiffe bei meist hoher See, schlechter Sicht und Eisbergen. Meist das ganze Jahr lang weht der Wind aus westlicher Richtung, dabei ist die Windstärke unmittelbar am Kap im Schnitt geringer als an der chilenischen Küste auf Höhe der Magellanstraße, die Sturmgefahr außerdem deutlich niedriger. Windgeschwindigkeiten von über 260 km/h wurden an der Magellanstraße bereits gemessen! Vor dem Bau des Panamakanals galt der Weg um das Kap als einzige befahrbare Route zur Umschiffung des amerikanischen Kontinents. Für Windjammer war die Magellanstraße aufgrund der Gegenströmung und ungünstigen Winde, keine Alternative.
Foto: Albatrosse vor Kap Hoorn, Isla Hornos
Nach etwa zwei Stunden hat sich die MS HAMBURG einmal den Weg durch die aufgewühlte See um das Kap gebahnt, der neue Kurs heißt Ushuaia. Mit nur noch 5 Knoten Fahrt schleichen wir entlang der zerklüfteten Küste zwischen Inseln hindurch bis der Mythos Kap Hoorn langsam im Dunst am Horizont verschwindet.
Um 21:00 Uhr verabschiedet sich die Crew der MS HAMBURG in Form der beliebten Crewshow, bevor wir in der Nacht den Lotsen für die letzten Seemeilen im Beagle Kanal an Bord nehmen.
Tag 12: 13. Januar 2017 – Ankunft in Ushuaia
Der Wecker klingelt noch einmal um 05:00 Uhr. Den letzten Streckenabschnitt im Beagle Kanal in Richtung Ushuaia wollen wir nicht verpassen. Gleichzeitig nutzen wir den Moment und lassen unseren Gedanken freien Lauf. Die ersten Häuser von Ushuaia sind bereits am Horizont zu erkennen. Zivilisation! Wir sind wieder da, zurück aus einer anderen Welt aus Eis und Schnee. Kaum noch vorstellbar, dass wir vor wenigen Stunden durch die Kolonien von Pinguinen gelaufen sind und uns keine Menschenseele in der kargen Eislandschaft begegnet ist. Wir sind zurück aus der Einsamkeit, Größenunterschiede werden nun wieder für uns erkennbar und begreifbar, vorbei ist es mit der Stille und eine Stunde später hat uns die Realität auch aus den letzten, verträumten Gedanken gerissen.
Foto: Berglandschaft mit Stadtpanorama von Ushuaia
Ein kompletter Tag in Ushuaia bleibt uns als Abschluss dieser Antarktis Kreuzfahrt. Wie zu Beginn der Reise erhofft, ist heute das Wetter erheblich besser. Die Sonne scheint von einem fast makellos blauen Himmel. Das perfekte Wetter für einen ausführlichen Rundgang durch die Straßen der spektakulär zwischen Berghängen gelegenen Stadt. Ohne straffen Zeitplan erkunden wir noch einmal die Einkaufsstraße Av. San Martin, die Hafenfront, die umliegenden Wohngebiete, Parks und Boulevards, bevor wir nach drei Stunden zum Hafen zurückkehren. Nennenswerte Neuigkeiten im Vergleich zu unserem kurzen, ersten Rundgang haben wir keine gefunden. Bei Sonnenschein macht ein Spaziergang dann allerdings doch erheblich mehr Spaß als im Regen.
Foto: Blick von einem Wohngebiet über Ushuaia, Argentinien
Tag 13: 14. Januar 2017 – Die Rückreise
Wie an Abreisetagen üblich, herrscht am Morgen ein reger Betrieb am Buffet im Palmgarten. Dennoch geht hier alles relativ entspannt zu, obwohl für die meisten Passagiere die Reise heute endet. Ab 08:30 Uhr beginnt die Ausschiffung entsprechend der vorher zugeteilten Busnummern. Das Gepäck wurde in der Nacht bereits von Mitarbeitern der Lufthansa gelabelt und befindet sich auf dem Weg zum Flughafen. Wir werden es erst am Zielort wieder in Empfang nehmen, selbige Prozedur also wie auf der Hinreise.
Den Flughafen in Ushuaia erreichen wir nach wenigen Fahrminuten mit dem Bus, das Check-In wurde von Plantours Kreuzfahrten ebenfalls schon abgewickelt, so dass jeder Reisende mit seinem Flugticket (diese wurden abends auf die Kabinen verteilt) direkt zur Sicherheitskontrolle laufen kann. Unkomplizierter geht es nicht.
Ein Highlight für den Flughafen bzw. deren Mitarbeiter ist das Fluggerät mit dem wir heute von Ushuaia via Buenos Aires nach Frankfurt zurückfliegen werden, eine Lufthansa Boeing 747-400. Die Maschine ist für Flugzeugfreaks noch immer die Königin der Lüfte, zwar eine in die Jahre gekommene und durch die neuere 747-8 abgelöste aber eine mit Charme. Auch der A-380 vom Konkurrenten Airbus konnte der 747 ihre Fangemeinde nicht streitig machen. Entsprechend der Seltenheit einer 747-Landung in Ushuaia sind Presse- und Filmteams vor Ort und auch die Flugzeugcrew versäumt es nicht, Selfies vor dem Flugzeug am Ende der Welt zu machen.
Foto: LH Boeing 747-400 D-ABVO Ushuaia airport 14.01.2017 iPhone photo
Unser Rückflug verläuft pünktlich und ohne besondere Vorkommnisse. In Buenos Aires müssen – im Gegensatz zum Hinflug – alle Passagiere während des Tankvorgangs die Maschine verlassen und noch einmal die Sicherheitskontrolle passieren. Etwas Abwechslung auf einem 15-Stunden Flug schadet ja nicht. Einen Tag später – am 15. Januar - landet der Sonderflug von Plantours Kreuzfahrten vormittags in Frankfurt.
Fazit der Antarktis Kreuzfahrt
Was sollen wir nach den ausführlichen Reiseeindrücken, welche die Antarktis Kreuzfahrt aus unserer Sicht – und aus der fast aller Mitreisenden – beschrieben hat, für ein Fazit zusammenfassen? Letztendlich ist es so, dass jedem Reisenden schon vor Reisebuchung klar sein muss, dass alle Anlandungen abhängig von den örtlichen Wetterbedingungen sind. Es ist durchaus möglich, dass an 5 Tagen in Folge perfekte Wetterbedingungen herrschen, es kann aber auch zu mehreren Ausfällen oder Änderungen hintereinander kommen, was ein Veranstalter nicht beeinflussen kann. Wir haben keinen Reisenden an Bord kennengelernt, der am Ende dieser Kreuzfahrt nicht absolut fasziniert von den Erlebnissen und Eindrücken in der Antarktis ist. Bleibt die berüchtigte Drake-Passage. Die gilt es zu durchfahren, so oder so. Und auch wenn diese sich extrem ruhig zeigte, ist die Durchfahrt für empfindliche Menschen bereits eine grenzwertige Erfahrung. Die lange An- und Abreise lohnt sich in jedem Fall, denn die Antarktis ist definitiv eine der schönsten Regionen unserer Erde, welche sich mit einem Kreuzfahrtschiff bereisen lassen. Fazit daher: Eine absolute Empfehlung!!