Die letzte Kreuzfahrt dieses Expeditionsschiffes musste aufgrund der gerade beginnenden Corona-Pandemie im Frühjahr 2019 abgebrochen werden. Damals noch unter der Flagge von Hapag-Lloyd Cruises mit dem bekannten Namen MS Bremen am Bug. Nach 1 ½ Jahren heißt es nun erstmals wieder „Leinen los mit Passagieren“ unter Scylla-Flagge. Ziel ist Island.
Die Anreise zum Kreuzfahrtterminal in Bremerhaven, dem Columbus Cruise Center, erfolgt auf individueller Basis. Dort liegt das 111m lange Kreuzfahrtschiff MS Seaventure endlich bereit für die ersten Passagiere, die nach dem Namens- und Eignerwechsel an Bord gehen können. Details zur MS Seaventure habe ich bereits im Rahmen meines Werftbesuches im Frühjahr dieses Jahres zusammengefasst <<Link>>, weshalb mein Fokus auf der aktuellen Reise liegt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die erste Kreuzfahrt unter der Charterflagge eines Reiseunternehmens mit Spezialisierung auf Leserreisen vermarket wurde. Die erste Kreuzfahrt wurde nicht als Expeditionsreise ausgeschrieben. Eigentlich wäre das Schiff für selbigen Charterer nach Grönland unterwegs gewesen. Corona zog auch durch dieses Vorhaben einen Strich. Nur zwei Wochen blieben dem Organisator für die Planung und Umsetzung der aktuellen Reise. Dieser Hinweis ist deshalb von Bedeutung, da die Reisenden an Bord, bis auf wenige Ausnahmen, keine typischen Expeditionskreuzfahrer, Individualisten oder Weltentdecker sind. Der Reiseablauf ist eher klassisch orientiert, also ohne Zodiac-Anlandungen und ohne Nutzung der bordeigenen Kanus. Eine nahezu identische Route bin ich vor vier Jahren mit einem klassischen, kleinen Kreuzfahrtschiff gefahren. Obwohl die MS Seaventure ein Schiff ist, dass für extreme Expeditionsreisen gebaut wurde und die 100%-Tochter von Scylla - VIVA Cruises - dieses selbst auch so nutzen möchte, ist das „Soft-Opening“ am Ende ein äußerst gelungenes gewesen, auch ohne Expeditionscharakter und nicht nur, weil ich ein außerordentlicher Island-Liebhaber bin - Aber der Reihe nach.
Foto: MS Seaventure im Hafen von Akureyri
Im Vergleich zu meinem letzten Besuch auf der EDR Shipyard in Antwerpen, lassen sich viele Detailveränderungen erkennen. Dazu zählen nicht nur die neuen Schilder samt Kabinennummern, neue Deckpläne und Beschilderungen. Das Oceanview Restaurant sah zuletzt noch sehr gediegen und etwas „angestaubt“ aus. Nun empfängt es die Gäste mit neuen Wandverkleidungen, einem neuen Eingangsbereich, neuer, zum Teil indirekter Beleuchtung und einem teilweise neuen Farbkonzept. Das Ambiente ist jetzt zeitlos modern. Die Sauna und den Beauty-Salon kann man aufgrund der Corona-Richtlinien derzeit nicht nutzen. Der Fitnessraum hingegen ist geöffnet. Meinen Rundgang durch die Innenbereiche beende ich mit äußerst positiven Eindrücken. Das Schiff sieht einladend und sehr gepflegt aus. Dieser Eindruck bleibt bei einem Gang über die Außendecks nicht bestehen. Es ist zu erkennen, dass das Schiff längere Zeit nicht in Betrieb gewesen ist. Die „Unschönheiten“, wie ich sie mal nennen will, sind jedoch keine Mängel im klassischen Sinne, sondern oberflächlich, wie schnell erkennbar wird. Leider kann man mit dem Schiff nicht einfach durch eine Waschanlage fahren. Später mehr dazu.
Foto: Das Oceanview Restaurant der MS Seaventure
Nach der obligatorischen Seenotrettungsübung gibt Kapitän Sven Haindl um 18:00 Uhr das Kommando „Leinen los“ und der formschöne Kreuzfahrtklassiker entfernt sich langsam von seinem Liegeplatz am Columbus Cruise Center. Leider bei sintflutartigem Regen. Dennoch ist die Stimmung außerordentlich gut, denn alle Gäste an Bord sind glücklich, mit diesem Schiff nun in See stechen zu können. Dazu noch mit Kurs auf eine außergewöhnlich schöne Insel. Eine Passagierin steht am Heck vor dem Lido Grill und sagt sichtlich berührt „Jetzt kann ich endlich wieder an Bord „meiner“ Bremen reisen. Ich brauche kein modernes Schiff mit lauter Schnickschnack an Bord, ich liebe die Seefahrt“, ergänzt sie weiter. Für sie zählen interessante Ziele, erklärt sie weiter.
Nachdem die MS Seaventure die Außenweser erreicht, bessert sich das Wetter. Das erste Dinner im Oceanview Restaurant endet mit einem guten Fazit. Zu diesem Zeitpunkt gebe ich jedoch kein Urteil über die Qualität der Speisen ab. Das hohe Niveau, wie ich es von den Scylla-Flussschiffen kenne, sehe ich noch nicht. Aber, es ist der allererste Abend. Und die Crew wirkt äußerst gut organisiert. Die Wartezeiten zwischen den Gängen sind nicht außergewöhnlich lang. Die Freundlichkeit wirkt nicht erzwungen.
Mein erster Abend an Bord endet mit einem leckeren Cocktail an der Bar. Entsprechend dem All-Inclusive-Konzept von VIVA Cruises, sind auch alle Getränke im Reisepreis enthalten. Anders als auf dem Fluss arbeitet Scylla auf der Seaventure nicht mit eigenem Personal von Edelweiss Gastro bzw. Nemo Ship Management sondern kooperiert mit Seachefs, ein gutes Gesamtpaket also.
Foto: Auf See mit der MS Seaventure
Drei Tage auf See liegen nun vor uns. Drei Tage der Entspannung und Erholung auf den weitläufigen Außendecks. Diese sind auf der MS Seaventure noch zum Großteil mit Teakholz belegt, was einen sehr maritimen und hochwertigen Eindruck vermittelt. Überall an Bord sind in den Außenbereichen, die gerade nicht von Gästen genutzt werden, Crewmitglieder damit beschäftigt, eine Grundreinigung durchzuführen. Damit ändert sich schon an den ersten Seetagen der äußerliche Gesamteindruck deutlich zum Positiven. Die See zeigt sich ruhig, nur die für den Nordatlantik typische Dünung bewegt die MS Seaventure etwas. Das Entertainmentprogramm beschränkte sich an den drei Seetagen auf den Bordmusiker Paulo Terrao, der als erstklassiker Künstler bezeichnet werden kann. Sein Repertoire ist in gewisser Weise begrenzt, was zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht „eintönig“ wirkt.
Mit Spannung wird heute Morgen das Einlaufen in den ersten Hafen auf Island, während dieser Kreuzfahrt, erwartet. Ich habe Seydisfjördur bereits vor vier Jahren besucht und freue mich auf die Rückkehr, da ich beim letzten Besuch nur die nähere Umgebung erkundet habe. Heute steht eine Fahrt in das Skalanes Nature and Heritage Center auf dem Programm. Das Natur- und Kulturerbezentrum Skálanes befindet sich in einem 1250 Hektar großen Naturschutzgebiet auf einer Halbinsel, 17 Kilometer östlich von Seydisfjördur. Was sich nach einer kurzen Anfahrt anhört, wird zu einer rund 1-stündigen Fahrt. Die Straße ist nur mit einem geländegängigen Bus befahrbar, drei Flüsse müssen dabei durchfahren werden. Ein tolles Erlebnis und ein schöner Start auf Island. Erfahrene Guides führen uns während einer rund 1-stündigen Wanderung durch das Reservat. Am Ende des 4-stündigen Ausflugs bleibt leider keine Zeit mehr für einen abschließenden Spaziergang durch den kleinen Ort, da die Auslaufzeit vom Charterer kurzfristig vorverlegt wurde.
Foto: Skalanes Nature and Heritage Centre, Island
Einen kurzen Rundgang habe ich bereits bei Regen vor Ausflugsbeginn gemacht. Seydisfjördur gehört zu den schönsten Orten an der Ostküste von Island. Während meines Spaziergangs am Morgen habe ich die mir damals lieb gewonnenen kleinen Kaufmannsläden, Cafés, die farbenfrohen Straßen, einen kleinen Teich und eine auffällige Blaue Kirche besucht. Im 1984 gegründeten Technischen Museum reist der Besucher in die Vergangenheit der Insel. Die Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts erlebt man aber auch bei einem Stadtrundgang. Zwar wohnen nicht einmal 700 Menschen in diesem kleinen Örtchen an der Ostküste von Island, aber einen gewissen Bekanntheitsgrad hat er dennoch, denn regelmäßig legt hier die MS „Norröna“ der Smyril Line an. Dieses Schiff ist das einzige, welches Island über die Färöer Inseln mit Dänemark verbindet. Im Zweiten Weltkrieg war Seydisfjördur ein Marinestützpunk, darüber hinaus endete hier im Jahr 1906 das erste Unterseetelefonkabel nach Island. Die Blütezeit erlebte der Ort zwischen 1877 und 1900, als sich norwegische Heringsfänger hier niederließen. Aus dieser Zeit stammen die meisten der gut renovierten Holzhäuser, die in Fertigbauweise aus Norwegen eingeführt wurden. Besonders reizvoll ist abends die Ausfahrt aus Seydisfjördur. Beeindruckend schön präsentiert sich die schroffe Küstenlinie. Sonnenstrahlen brechen gebündelt durch die Wolkendecke und sorgen für eine herrliche Lichtszenerie. Man nennt das den Tyndall-Effekt, wie ich erfahre. Reisen bildet.
Foto: blue church und der rainbow way in Seydisfjordur
Eine der beiden Hauptmaschinen der MS Seaventure liefert am Abend nicht die benötigte Leistung, um den nächsten Hafen zur geplanten Zeit anlaufen zu können. Daher wird Husavik am morgigen Tag ausfallen. Nun wird direkt Kurs auf Akureyri genommen, wo wir erst übermorgen ankommen sollten. Schon am Nachmittag des nächsten Tages ist der Fjord Eyafjördur im Norden Islands erreicht, an dessen Ende der Zielhafen Akureyri liegt. Dort soll der Fehler an der Hauptmaschine repariert werden. Nach einer landschaftlich außergewöhnlich schönen Fahrt durch den Fjord, erreicht die MS Seaventure noch vor dem Sonnenuntergang den Liegeplatz im Hafen. Nach Sonnenuntergang wird eine Stadtwanderung durch Akureyri angeboten. Ich entscheide mich jedoch, die Stadt auf eigene Faust bei Tageslicht am kommenden Morgen, vor dem nächsten Ausflug zu erkunden. Dieser beginnt um 10:00 Uhr. Der von Husavik aus geplante Besuch am Dettifoss Wasserfall, dem energiereichsten Wasserfall in Europa, ist nicht in diesem Ausflug enthalten. Erreichbar ist er auch von Akureyri aus. Sowohl meine individuelle Mietwagen-Rundfahrt als auch die geführten Ausflüge haben bei meiner früheren Kreuzfahrt um 07:00 Uhr begonnen und beinhalteten sowohl den Dettifoss als auch den Lake Myvatn, der hier ebenfalls auf dem Tagesprogramm des ausgefallenen Ausflugs ab Husavik stand. Der See liegt auf einer Höhe von 288m über dem Meeresspiegel inmitten erkalteter Lavafelder zwischen Vulkankegeln und hat eine Fläche von 37m². Er ist der viertgrößte See der Insel. Um den See herum führen zahlreiche Wanderwege. Eine einzigartige Region, wie ich bei meinem letzten Besuch erleben durfte. Alternativ wird nun eine Whale Watching Fahrt mit dem Boot ab Husavik vom Charterer ins Programm aufgenommen. Ohne Alternative. Whale Watching hat auf Island eine große Bedeutung, da gibt es keine Zweifel. Wer sich jedoch auf die einzigartige Natur Islands gefreut hat, wird diese heute nur ganz nebenbei bestaunen können. Durch die deutlich verlängerte Liegezeit der MS Seaventure in Akureyri hätte keiner der geplanten Spots ausfallen müssen. Das mag man als Kritik sehen, ist aber vielmehr eine Tatsache, da ich diese Runde bereits selbst gefahren bin.
Foto: Im Eyjafjördur nach Akureyri MS Seaventure
Für 07:00 Uhr stelle ich mir meinen Wecker. Ich möchte ja etwas von der Stadt sehen. Dazu reichte damals mein Zeitrahmen nicht mehr. Zum Glück hat Teodora bereits die Bar in der Seabreeze Lounge aufgeschlossen. Dort bekomme ich, obwohl die Bar offiziell erst um 08:00 Uhr öffnet, meinen ersten Morgenkaffee. Ein toller Service. Noch bevor das Restaurant zum Frühstück die Türen öffnet, starte ich meinen ersten Spaziergang durch Akureyri. Akureyri wird oft als die Hauptstadt des Nordens bezeichnet. Obwohl nur rund 19.000 Einwohner in Akureyri leben, gibt es eine aktive Kunst- und Kulturszene. Ich genieße die Morgensonne und laufe entlang der schön angelegten Uferpromenade, schaue mir die markante Kirche von Akureyri sowie das Stadtzentrum an. Vom Hügel, auf dem die aus dem Jahr 1940 stammende Akureyrikirka steht, bietet sich ein schöner Blick über die Stadt und den Hafen, in dem die MS Seaventure festgemacht hat.
Foto: Akureyrarkirkja und MS Seaventure
Erster Halt während unseres Ausflugs ist das Grenjadarstadur Turf House Museum. Es zeigt sehr eindrucksvoll, wie die Isländer noch bis 1940 teilweise lebten. Das alte Pfarrhaus in Grenjadarstadur ist eines damals wie heute eines der schönsten seiner Art. Der Bauernhof schildert sehr anschaulich, wie einfach die Isländer in der Vergangenheit auf dem Land lebten. Bis 1949 lebten auf diesem Bauernhof rund 30 Menschen, darunter Arbeiter und Hausangestellte sowie die Familie des Ministers. Ab 1949 übernahm das isländische Nationalmuseum die Erhaltung. Im Jahr 1958 eröffnete der Bauernhof als Nationalmuseum. Mangels der Verfügbarkeit von Holz, bauten die Isländer damals mehrere kleine Häuser, deren Grundmauern aus Stein bestehen. Die Wände sind mit Torf aufgebaut, die Fassade mit Holz verkleidet. Ein insgesamt lohnenswerter Aufenthalt. Nahezu alle Räume der alten Gebäude lassen sich heute besichtigen. Sie sind sogar mit alten, Original-Exponaten eingerichtet.
Foto: Freilichtmuseum, Turf House Museum, Grenjadarstadur, Island
Nach diesem informativen Besuch steht nun das Whale Watching auf dem Programm. Die Fahrt führt ins benachbarte Husavik, jenen Ort, den wir gestern mit dem Schiff anlaufen sollten. Husavik wird oft als die Hauptstadt des Whale Watching in Europa bezeichnet. Das liegt jedoch nicht an der Vielzahl an Walen, die dort während der Ausfahrten zu sehen sind, sondern vielmehr an der Tatsache, dass bei nahezu jeder Ausfahrt mindestens einer zu erspähen ist. Wie ich erfahre, hält sich die Anzahl der gesichteten Tiere in den letzten Wochen sehr in Grenzen, weshalb ich einen Aufenthalt in der beschaulichen Stadt Husavik bevorzuge und nicht an der Bootsfahrt teilnehme. Hauptsehenswürdigkeit ist zweifelsfrei die 1907 aus norwegischem Holz erbaute, evangelische Húsavíkurkirkja. In der Nähe des Hafens befindet sich das Walmuseum, das vom Europäischen Walzentrum betrieben wird. In Husavik findet man zahlreiche Cafés und Restaurants. Ein wunderbarer Blick über die Skjalfandi-Bucht ist inklusive. Ausflüge in das benachbarte Gebiet des Myvatn-Sees kann man von Husavik aus überall buchen. Die Rückkehr der Walbeobachter verzögert sich um rund 30 Minuten. Es wird danach von 1-2 Walsichtungen berichtet. Rund 5 Stunden nach Ankunft in Husavik setzen wir die heutige Fahrt fort und nehmen Kurs auf den Godafoss Wasserfall. Bedingt durch die verspätete Rückkehr des Walbeobachtungs-Bootes verkürzt sich der Aufenthalt am Wasserfall. Wer nicht besonders gut zu Fuss ist, hat nur die Möglichkeit, den Wasserfall von einem der beiden Flussufer aus zu bestaunen. Da mir die Örtlichkeiten bekannt sind, eile ich für einige, neue Fotos zu den bekannten Fotospots, bevor es auch schon zurück zum Hafen in Akureyri geht.
Foto: Blick auf Husavik mit Hafen und Husavikurkirkja
Der Godafoss zählt zu den bekanntesten Wasserfällen von Island. Er liegt etwa auf halber Strecke zwischen Akureyri und Myvatn. Die Fallhöhe des Godafoss beträgt zwar nur 12 Meter, aber dafür donnern die Wassermassen des Skjálfandafljót auf einer Breite von 30m ins Tal und erzeugen einen enormen Geräuschpegel. Beim Skjálfandafljót handelt es sich um einen 178km langen Fluss, den viertlängsten von Island. Die Fallkante des Godafoss entstand am Rand des Lavastroms Frambruni, der sich vor über 8.000 Jahren aus dem Vulkan Trölladyngja ergoss und eine Länge von 105km aufweist.
Foto: Der Godafoss Wasserfall auf Island 2021
Als erschreckend bezeichne ich die Erkenntnis, dass sich die Anzahl der Betonwege, die an und um den Wasserfall heran bzw. herum führen, im Vergleich zu meinen letzten Besuchen in den Jahren 2017 und 2013 noch einmal erhöht hat. Dort, wo vor acht Jahren noch unbefestigte Wege an eine natürliche Steilkante heranführten, läuft man nun auf Betonwegen. Sie enden vor Absperrgittern auf Aussichtsplattformen. Das einst unberührte Bild der Landschaft hat sich leider bedeutend verändert. Zum Glück findet Tourismus derzeit in gesundem Maße statt und man hat das Gefühl, dass die derzeitigen Besucher viel Wert auf den Erhalt der Natur auf Island legen. Ausgelegt sind die Wege und Einrichtungen jedoch auf einen Massentourismus, wie er vor der Corona-Pandemie stattgefunden hat. Man darf sich die Frage stellen, warum einerseits so viel Wert auf den Erhalt der unberührten Natur auf Island gelegt wird, andererseits aber das Landschaftsbild mit Betonwegen, Stahlgeländern und Begradigungen derart verändert wird.
Foto: Godafoss Wasserfall Island mit Laufwegen 2021
Das erfahrene Ausflugsteam von Island Pro Travel hat das Beste aus dem heutigen, 7-stündigen Programm herausgeholt, das bleibt als Fazit festzuhalten.
Am Morgen vor dem Erreichen des Hafens in Isafjördur werden unzählige Delphine vor dem gleichnamigen Fjord gesichtet. Kapitän Sven Haindl lässt nach Rücksprache mit dem Charterer den Kurs kurzfristig ändern und dreht eine langsame Runde vor der Küste. So kommen alle Gäste in den Genuss, die Vielzahl an Delphinen über die Wellen springen zu sehen.
Foto: Weißschnautzendelphine vor Isafjördur
Der äußere Liegeplatz im Hafen von Isafjördur ist heute bereits belegt. Der innere Liegeplatz im Fischereihafen ist nur von Schiffen mit sehr geringer Größe erreichbar. Die MS Seaventure entspricht gerade noch so den örtlichen Vorgaben. Dennoch ist hier perfektes, nautisches Können gefragt. Die Hafeneinfahrt ist extrem schmal, die Fahrrinne unter Wasser von Felsen begrenzt und auf der Backbordseite verläuft auch noch die Start- und Landebahn des kleinen Flughafens. Die 2.500 Einwohner zählende Stadt liegt eingebettet zwischen bis zu 832m hohen Berghängen. Isafjördur ist das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum der Westfjorde und liegt auf einer künstlich aufgeschütteten Sandbank, die eine Halbinsel bildet. Isafjördur war einst der größte Standort für die Shrimps-Fischerei von Island und hat auch heute noch eine große Bedeutung beim Fischfang.
Foto: MS Seaventure im Hafen von Isafjördur
Mit einem kleinen Bus geht es heute zum Dynjandi-Wasserfall. Dieser Wasserfall ist aufgrund seiner Höhe von 100m und einer oberen Breite von 30m besonders eindrucksvoll. Unterhalb des Hauptwasserfalls (dem Dynjandi) folgen noch fünf weitere Stufen, die als eigene Wasserfälle jeweils andere Namen haben. Aus dem Tal betrachtet erscheint der Dynjandi daher noch größer als er ohnehin schon ist. Der Wasserfall liegt sehr abgeschieden und ist touristisch wenig erschlossen. Zum Zeitpunkt meines letzten Besuchs führte nur ein einziger Weg von Isafjördur aus zum Wasserfall, den wir auch heute befahren. Zumindest auf dem Hinweg. Von Isafjördur führt die Straße zunächst durch einen Tunnel, dann über eine recht gut ausgebaute Küstenstraße bis zum kleinen Ort Pingeyri (247 Einwohner). Ab dann heißt es „Bergauf“. Allradantrieb ist jedoch nicht mehr nötig. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch ist die Vestfjardavegur No60, wie sich die Straße nennt, recht gut ausgebaut worden, besteht aber immer noch aus porösem Vulkangestein. Es gibt keine Leitplanken oder Befestigungen zur Schlucht hin.
Foto: Aussicht von Bergstraße ins Tal bei Thingeyri, Iceland
Bevor der Wasserfall erreicht wird, gibt es einen Stopp. Und zwar genau an jenem Café, welches damals schon einmal Anlaufstelle auf individueller Basis gewesen ist. An der Hauptverbindungsstraße 60, die entlang des Fjordes führt, weist heute wie damals nur ein kleines Schild auf das Café hin, welches am Ende des Schotterwegs zu finden ist. Auf einer Anhöhe angekommen steht man dann inmitten einer Szenerie, die einem Ölgemälde entsprungen sein könnte. Auf der rechten Seite befindet sich eine kleine, wunderschöne Holzkirche und auf der linken Seite stehen drei kleine Holzhäuschen. In diesen sind das genannte, urgemütliche Café, ein Museum und eine kleine Unterkunft untergebracht. Die Besitzerin backt den Kuchen selbst, nach einem isländischen Rezept – und er ist höllisch lecker. Der Ausblick über den Fjord und die unbeschreibliche Stille hier oben sind unbezahlbar!
Foto: Hrafnseyri, Iceland
Vor dem Wasserfall gibt es einen kleinen Parkplatz, auf dem man sein Auto abstellen kann. Auch dieses Gelände wurde im Vergleich zu meinem letzten Besuch deutlich ausgebaut und touristischer gestaltet. Neu sind Toilettenhäuschen, Sitzmöglichkeiten und ein Busparkplatz. Der Grund dafür ist der neue Tunnel, der die steile Bergstraße umgeht. Durch diesen können seit der Fertigstellung auch Busse den Wasserfall erreichen. Schade, dass auch hier eine Menge der Ursprünglichkeit verloren gegangen ist. Der Wasserfall verdankt seine Entstehung der letzten Eiszeit und ist eigentlich ein ganzes Ensemble bzw. eine Inszenierung an Wasserfällen, die in ihrer Art einzigartig und unwirklich schön ist! Für diesen Wasserfall braucht man keinen Tagesausflug mehr einplanen, denn der Tunnel ermöglicht bei Bedarf eine schnelle An- und Abreise. Das Erlebnis bleibt am Ende dennoch ein sehr schönes und lohnenswertes.
Foto: Dynjandi Wasserfall mit Parkplatz
Am Abend verlässt die MS Seaventure den Hafen in Richtung Grundafjördur. Eine Stunde früher als ursprünglich geplant. So hat es der Charterer kurzfristig entschieden. Aus organisatorischen Gründen.
Nach nur 125 Seemeilen ist zunächst der markante und von weither sichtbare Hausberg Kirkjuffel zu erkennen. Die MS Seaventure macht in Grundafjördur fest. In der Regel ist der 463m hohe, keilförmige Berg überhaupt nicht zu sehen, denn diese Region ist bekannt und berüchtigt für ihr schlechtes Wetter sowie viele Nebeltage. Heute zeigt sich das Wetter wechselhaft und voller Kontraste. Der Kirkjuffel, was übersetzt Kirchberg bedeutet, ragt als Halbinsel in den großen Fjord Breidafjördur hinein, wobei er den Seitenfjord Grundarfjördur von der Lagune trennt. Seine sehr markante Form verdankt er den Eiszeitgletschern, die ihn von allen Seiten geschliffen haben. Der Berg besteht, wie die Umgebung darum herum, zum Großteil aus Lava, die in diesem Gebiet mehrere Millionen Jahre alt ist.
In Grundarfjördur leben etwa 870 Einwohner, die sogar eine eigene Kirche und ein Krankenhaus im Ort haben. Seit etwa 1800 leben die Einwohner hier vom Fischfang, im Jahr 1978 wurde der Hafen ausgebaut und dient seit wenigen Jahren auch kleineren Kreuzfahrtschiffen als Anlaufhafen, für diese schöne Region im Westen von Island. Die Gegend um Grundarfjördur ist bekannt für ihren Vogelreichtum und Naturschönheiten, weshalb viele Ausflüge entlang der Küste angeboten werden. An einem solchen nehme ich heute teil. Ziel ist der Snæfellsnes-Nationalpark.
Foto: MS Seaventure in Grundafjördur mit Kirkjuffel im Hintergrund
Nur wenige Minuten nach Beginn des heutigen Ausflugs erfolgt der erste Halt, am Kirkjufellsfoss Wasserfall. Der Wasserfall ist eines der beliebtesten Fotomotive dieser Gegend. Es beginnt zu regnen. Die weitere Fahrt führt durch eine völlig unberührte Landschaft, entlang zahlreicher Seevogel-Brutgebiete bis in den Snæfellsnes-Nationalpark. Einen kurzen Spaziergang vom Besucherzentrum entfernt steht das Malarrif Lighthouse. Der 24m hohe Leuchtturm wurde im Jahr 1917 errichtet und 1946 umgebaut. Er besteht aus Lavasteinen und steht auf Lavaformationen. Gerade noch hat es geregnet, fünf Minuten später ist der Himmel nahezu makellos blau. Das Wetter auf Island widerspricht jeder Wettervorhersage, denn heute sollte es durchgehend regnen. Das aufgewühlte Meer kracht auf der einen Seite tosend auf den schwarzen Lavastrand und bricht auf der anderen Seite an den bizarren Lavaklippen. Seevögel lassen sich vom Wind über das Wasser treiben. Hier ist die Welt noch in Ordnung.
Foto: Malarrif Lighthouse, Snaefellsnes-Nationalpark, Island
Kaum weniger reizvoll ist die landschaftlich einmalig schöne Region rund um Arnarstapi, einem kleinen Fischerort in der Gemeinde Snaefellsbaer auf der Halbinsel Snaefellsnes. An den zerklüfteten Felsen brüten tausende Seevögel und es entfaltet sich eine unwirkliche Vulkanlandschaft. Die Seevögel beherrschen den Luftraum und die Fluken einzelner Wale sind vor der Küste zu beobachten. Ganz ohne 5-stündiges Whale Watching. Diese Gegend ist so einzigartig und malerisch schön, dass sie bereits in der Liste der schönsten Bergdörfer Europas aufgenommen wurde. Als Bergdorf wird Arnarstapi aufgrund seiner Lage bezeichnet. Besonders eindrucksvoll ist die einstündige Wanderung entlang der Küste.
Foto: Fischerdorf Arnarstapi, Iceland
Nach so vielen Naturerlebnissen folgt noch ein kurzer Stopp am Selvallafoss Wasserfall, der in ein Lavafeld eingebettet ist, bevor die Gruppe in Bjarnarhöfn in einem Hai-Museum einkehrt. Es ist zugleich der letzte Hof, der den für Island so typischen, fermentierten Grönland-Hai „Hakarl“ noch auf nahezu traditionelle Art herstellt. Wer die typischen Island Pferde einmal aus nächster Nähe sehen möchte, kommt hier ebenfalls auf seine Kosten.
Foto: Island Pferde auf Snaefellsnes Halbinsel, Island
Nach diesem Besuch wird es Zeit, den Rückweg zum Hafen anzutreten. Der heutige Ausflug zählt zu den interessantesten, die bisher durchgeführt wurden. Am Abend lockt ein wunderbarer Sonnenuntergang zu einem Absacker auf der Lido-Terrasse. Schon der Vorbesitzer hatte hier Heizstrahler installieren lassen, die auch bei kühleren Temperaturen für eine gewisse Wärme sorgen. Ein wunderbarer Tag geht zu ende.
MS Seaventure macht direkt neben dem Kulturhaus Harpa im alten Stadthafen fest. Ein Vorteil des kleinen Schiffes. Heute steht der klassische Ausflug „Golden Circle“ auf dem Programm. Mir sind die Haltepunkte von früheren Besuchen bekannt. Man kann jedoch auch bei mehreren Besuchen immer wieder neue Dinge entdecken. Von Reykjavik aus startet der Bus um 09:30 Uhr zunächst zum Thingvellir Nationalpark. Dort läuft die Reisegruppe entlang an einer Grabenbruchzone, die durch das Aufeinandertreffen von zwei tektonischen Platten entstanden ist. In der Almannagja-Schlucht werden die großen Felsspalten besonders gut sichtbar. Entgegen vielen Vermutungen beträgt die Breite des Spaltensystems nicht nur wenige Meter sondern 4-8 Kilometer und es werden jedes Jahr bis zu 10cm mehr. Plötzlich beginnt es zu regnen.
Im Heißwassertal Haukadalur erfolgt der nächste Halt. Hier befindet sich der bekannte Strokkur. Der Strokkur ist Islands aktivster Geysir, der regelmäßig alle 5-10 Minuten ausbricht. Die Höhe der Wasserfontäne variiert stark zwischen 10-20m. In der Vergangenheit erreichte sie Höhen bis zu 40m. Es ist immer wieder schön, Strokkur ausbrechen zu sehen, egal wie oft man vor diesem Naturphänomen steht. Derzeit halten sich zum Glück auch hier die Touristenmassen in Grenzen. Der Busparkplatz hält 60 Parkplätze bereit, von denen derzeit 15 belegt sind.
Foto: Strokkur Geysir und Blesi Quelle, Island
Das Haukadalur ist ein Hochtemperaturgebiet, in dem es eine Vielzahl heißer Quellen und Geysire gibt. Auffällig ist insbesondere die Blesiquelle, die je nach Lichteinfall Blau oder Türkis schimmert. Die Quelle besteht aus zwei großen Schächten, welche direkt nebeneinander liegen und nur an einer schmalen Stelle miteinander verbunden sind. Einer der Quelltöpfe ist um die 100°C heiß, der zweite nur um die 50°C. Diese unterschiedlichen Temperaturen sorgen für abweichende Färbungen der beiden Töpfe. Die im Wasser enthaltene Kieselsäure bleibt bei 100°C vollständig gelöst und bei 50°C in kleinen Partikeln gebunden. Daher ist die heißere Quelle glasklar und die andere tiefblau.
Haukadalur ist Teil des Golden Circle und damit eine der bekanntesten Touristenattraktionen auf Island. Die Straßen zum Geysir sind inzwischen komplett ausgebaut, weshalb der Strokkur auch mit großen Reisebussen perfekt erreichbar ist. Die meisten Touristen kommen im Rahmen eines Tagesausflugs aus Reykjavik und somit kann der große Parkplatz vor dem Gelände schon mal aus allen Nähten platzen. Für mich bleibt dieser massive Ausbau unverständlich. Umweltschutz sieht für mich anders aus. Großraumparkplätze, Lodges, Restaurants, Souvenirläden und ausgebaute Wege prägen das Bild. Von der wunderschönen Natur ist hier zu Stoßzeiten kaum noch etwas zu sehen oder zu erleben. Sobald die Reiseströme wieder einsetzen, ist das Gebiet um Strokkur erneut ein Ort des Massentourismus.
Foto: Haukadalur Geothermal-Gebiet, Island
Natürlich ist auch ein Besuch am Gullfoss Wasserfall obligatorisch auf dieser Rundfahrt. Imposant stürzen hier die Wassermassen des Hvita Flusses in eine rund 70m tiefe Schlucht. Viel Zeit bleibt nicht für den Besuch, daher laufe ich diesmal nicht auf den ausgebauten Wegen entlang bis in die Schlucht hinein, sondern versuche in der Kürze der Zeit den Blick von unterschiedlichen Aussichtsplattformen entlang der Steilkante zu genießen. Auch hier am Wasserfall hat im Vergleich zu meinem letzten Besuch ein deutlicher Ausbau stattgefunden. Die Wege sind breiter geworden und wurden verlängert. Der Gullfoss ist leider auch kein Ort mehr, an dem man die wunderschöne Natur Islands in voller Schönheit genießen kann. Die Rückkehr der Flut an Touristen ist nur eine Frage der Zeit.
Foto: Gullfoss Wasserfall, Island
Für den heutigen Abend ist ein besonderes Programm, ein ganz individuelles geplant. Dafür hole ich nach Rückkehr vom Ausflug einen Mietwagen an der Station in Reykjavik ab. Nach dem Abendessen geht es los. Der bekannte Reisejournalist Franz Neumeier (www.cruisetricks.de) und seine Frau, Carmen, die ihren eigenen Kreuzfahrt-Blog (www.cruisediary.de) betreibt, sind mit dabei. Auf der Suche nach dem ganz besonderen Erlebnis des Tages, abseits vom üblichen Massentourismus. Ein Blick auf die am Fagradalsfjall aufgestellte Webcam, dem Vulkan direkt gegenüber, lässt sich bereits erahnen, dass dieses Vorhaben nicht von Erfolg gekrönt sein wird. Die Wetterkarten lassen einen letzten Hoffnungsschimmer ebenfalls verblassen. Dennoch wagen wir uns zum Vulkan. Nach einer Stunde Fahrt steht das Auto auf einem kleinen, provisorischen Parkplatz. Nur wenige Menschen sind vor Ort. Aufgrund des sich verdichtenden Nebels laufen wir nicht oberhalb alter Vulkankrater, sondern im Tal entlang einer uns vorgegebenen Stelle entgegen. Der Weg führt uns über alte Lavafelder, bis der Nebel auch im Tal immer dichter wird. Es sind plötzlich keinerlei Laufwege mehr erkennbar. Die Sichtweite beträgt schließlich weniger als 50m, bis bald darauf die Dunkelheit einsetzt. Wir brechen das Vorhaben, die entsprechende Stelle am Lavafeld des Geldingadalir Vulkans zu erreichen, schweren Herzens ab. Dennoch war dieser Abendspaziergang ein ganz besonderer. Von der Autobahn aus sind auf dem Rückweg die rot leuchtenden Nebelschwaden deutlich sichtbar. Sie reflektieren das Licht der glutroten Lava vom eruptierenden Geldingadalir.
Am nächsten Morgen sieht die Wettersituation etwas besser aus. Da mir der Mietwagen 24 Stunden lang zur Verfügung steht, beschließe ich erneut zum Geldingadalir Vulkan zu fahren und den Weg von gestern Abend fortzusetzen. Der Charterer hat die Abfahrtzeit der MS Seaventure erneut spontan um eine Stunde vorverlegt, nämlich auf 17:00 Uhr, weshalb ich meinen Tagesplan straffen muss.
An jener Stelle, an der wir gestern die Wanderung abgebrochen haben, ist heute bei guter Sicht schnell erkennbar, dass ein Abbruch die beste Entscheidung gewesen ist. Am Horizont ist in ca. 500m Entfernung eine kleine Senke zu sehen, die durchlaufen werden muss. Auf der rechten Seite befinden sich steile Abhänge und links rutschige Hügel, bei denen es sich jeweils um alte Krater handelt. Bei Dunkelheit und Nebel wäre das Risiko, sich zu verlaufen, immens gewesen. Endlich angekommen an der mir vorgegebenen Stelle, lässt sich der erste Eindruck kaum beschreiben. Ich stehe vor einem schwarzen Lavafeld, deren Ende nicht erkennbar ist. Rauchschwaden ziehen über die kargen Hügel, es riecht überall nach Schwefel, Knacken und Knistern ist aus allen Richtungen zu hören und es ist warm. Einen Vulkan kann ich hingegen nicht erkennen.
Foto: Geldingadalir Vulkan und Lavafeld, Island
Einige, wenige Menschen laufen entlang des Lavafeldes. Hier und da bricht heiße Lava durch die bereits erkaltete Kruste. Es ist absolut faszinierend, welche Szenerie sich vor mir und den wenigen Besuchern eröffnet. Eindrücke die ich in dieser Form bisher noch nie gewinnen konnte. Wie mir Experten aus Island vorher erklärten, ist dieser Vulkan im Krysuvik-Vulkansystem auf der Halbinsel Reykjanes aller Voraussicht nach ein Schildvulkan, also keiner, der die Lava explosionsartig auswirft. Es besteht demnach keine Gefahr, von herumfliegenden Lavabrocken getroffen zu werden. Nunja, diese Erklärung ist zwar beruhigend, aber ich sehe weiterhin überhaupt keinen Vulkan. Aus einem Krater in der Nähe steigt lediglich etwas Qualm auf. Auch bei näherer Betrachtung kann ich mir nicht vorstellen, dass dies der Krater sein soll, aus dem in der letzten Nacht noch flüssige Lava ausgetreten sein soll. Oder ist er es doch? Ein weiterer ist nicht zu erkennen. Nun bin ich kein Vulkanexperte und auf jeden Fall vom Anblick, der sich mir bietet, begeistert. Eine gewisse Enttäuschung kann ich dennoch nicht leugnen, denn das, was sich mir beim häufigen Blick auf die Webcam in den letzten Tagen zeigte, sah völlig anders aus. Dort war stets ein aktiver Vulkan zu sehen. Also ein (Vulkan)-Krater aus dem Lavaströme herausfließen. Die Frage bleibt zunächst ungeklärt. Ich beschließe, zurück zum Parkplatz zu laufen und mir mit dem Mietwagen noch einige weitere Naturschönheiten anzuschauen, die ich bisher nicht besucht habe.
Foto: Geldingadalir Vulkan, Island 19.08.2021
Auf dem Parkplatz, auf dem ich den Mietwagen geparkt habe, treffe ich auf ein Fernsehteam. Ich erfahre auf Nachfrage, dass der Vulkan offenbar Eruptionsphasen hat, bekomme das auf einer Grafik sogar anschaulich dokumentiert. Offenbar ist letzte Nacht eine aktive Phase des Geldingadalir gewesen, heute Morgen eine inaktive. Demnach müsste am heutigen Nachmittag wieder eine Eruptionsphase folgen. Da mein Zeitfenster nicht ausreichen wird, um diese abzuwarten, breche ich diese Vulkanexkursion endgültig ab und fahre zu weiteren, interessanten Spots. Dazu zählen der Gigvatnsvatn, der Kleifarvatn die Krysuvik geothermal area und der Kerid Crater. Das Wasser des Gigvatnsvatn schimmert intensiv türkis und füllt einen alten Vulkankrater. Er liegt wie auch der Kleifarvatn im Geothermalgebiet Krysuvik. Die Ufer um die heißen Quellen sind in allen erdenklichen Grün-, Gelb- und Rottönen gefärbt. Es blubbert und dampft an allen Ecken. Die sprudelnden Schlammbecken spielen scheinbar eine eigene Symphonie, im Takt zum aufsteigenden Dampf. Die aktiven, sprudelnden und heißen Quellen sind in dieser Region nicht zählbar.
Foto: Gigvatnsvatn, Island
Nach diesen interessanten Eindrücken fahre ich noch zum Zusammenfluss der beiden Flüsse Hvita und Sog, die dann als Ölfusa-Fluss weiterfließen. Einige Kilometer weiter bildet der Ölfusa eine Art Lagune und mündet dann in den Atlantik. Die Flussmündung ist eine der breitesten des Landes. Das Besondere an diesem Zusammenfluss ist, dass der Hvita Fluss im Gletschersee Hvitarvatn entspringt und daher eine milchig helle Farbe hat. Der Sog ist klar und es ist ein beeindruckendes Farb-Schauspiel, wenn sich beide Flüsse zu einem vereinen. Bevor dies passiert, stürzt der Hvita Fluss über den Wasserfall Gullfoss in eine tiefe Schlucht mit unterschiedlichen Fallhöhen. Die zwei Stufen des Gullfoss sind 11 und 21m hoch.
Foto: Ölfusa Zusammenfluss bei Selfoss, Island
Da sich mein Zeitfenster schließt, trete ich den Rückweg nach Reykjavik an, gebe den Mietwagen ab und laufe zum Hafen zurück. Nach meinem Kenntnisstand bin ich pünktlich zur „alle Gäste an Bord“-Zeit auf die MS Seaventure zurück. Nichts sieht am Hafen nach einem baldigen Auslaufen aus. Wie ich schließlich erfahre, wurde die Abfahrtzeit erneut geändert. Diesmal aufgrund eines herannahenden Tiefdruckgebietes. Die neue Auslaufzeit ist 22:00 Uhr. Das Tiefdruckgebiet erfordert aufgrund starker Winde und drohender, hoher Wellen darüber hinaus eine Routenänderung. Der Besuch auf der wunderschönen Insel Heimaey muss entfallen. Mein letzter Besuch auf diesem Eiland liegt ebenfalls rund vier Jahre zurück. Eine solche, wetterbedingte Änderung ist schade, bringt eine Kreuzfahrt manchmal jedoch mit sich. Alternativ organisiert der Charterer allen Gästen spontan einen Abend in der Harpa Konzerthalle zum Konzert „New Classics and Iceland Symphony“. Das Konzert beginnt um 20:00 Uhr und endet etwa um 21:20 Uhr. Das „Rock & Pop meets Classic“-Konzert der jungen Künstler ist sehr interessant zu beschreiben. Einen erneuten Besuch am Vulkan am Abend ersetzt es jedoch nicht. An diesem Abend heißt es also, "glühende Stimmen, statt glühender Lava." Nach dem Auslaufen ist das Naturschauspiel noch ganze drei Stunden lang in der Ferne, vom Schiff aus zu sehen.
Mit dem Auslaufen aus Reykjavik heißt es auch Abschied nehmen von der größten Vulkaninsel der Erde. Wieder einmal hat mich diese einzigartig schöne Insel in ihren Bann gezogen, auch wenn nur die touristischen Hotspots abgeklappert wurden. Mit etwas Wehmut blicke ich auf die vergangenen Tage zurück, denn Island ist eine absolute Reiseempfehlung für alle Naturliebhaber!
Der Name Island leitet sich aus den Worten „Eis“ und „Land“ ab, was das unberührte Eiland hervorragend beschreibt. Jeder, der bereits mehr als nur die Hauptstadt Reykjavik besucht hat, wird der Aussage „Island ist einer der schönsten Flecken Erde auf der Nordhalbkugel“ bestätigen! Es ist die Insel der Vulkane, Geysire, Wasserfälle und auch Polarlichter.
Nach dem Vereinigten Königreich ist Island der flächenmäßig zweitgrößte Inselstaat Europas und darüber hinaus die größte Vulkaninsel der Welt! Die rund 357.000 Einwohner leben in dem am dünnsten besiedelten Land Europas, davon 60% in der Hauptstadtregion Reykjavik.
Was die Insel besonders faszinierend macht ist ihr Farbenreichtum, der sich in der atemberaubenden, unberührten Vulkanlandschaft in den schönsten Facetten darstellt. Island liegt auf dem Mittelatlantischen Rücken und damit sowohl auf der Nordamerikanischen als auch auf der Eurasischen Platte. Island ist eine vulkanologisch hochaktive Region und in rund 30 Vulkansysteme eingeordnet.
Das Sturmtief haben wir nach einem Seetag erfolgreich umfahren. Ein zweiter Seetag schließt sich in Richtung Färöer-Inseln an. Nach einem verregneten Stopp in Torshavn auf den Färöer-Inseln folgen erneut zwei Seetage auf der Nordsee, während dieser die letzten Spuren des langen Aufliegens auf den Außendecks beseitigt werden. Der gesamte Bugbereich und jene Schiffsflächen, die den Passagieren nicht zugänglich sind, werden außerdem neu gestrichen. Die Restaurantcrew pfeift zum Abendessen bereits die klassischen Songs von Paulo, der gleich wieder seinen Auftritt in der Lounge hat. Sogar die Reihenfolge stimmt. Ob das nun ein positiver Aspekt ist, oder ein Zeichen für die geringe Abwechslung des Portfolios, bleibt jedem Leser selbst überlassen. Die Stimmung an Bord ist gut. Die Crew kennt inzwischen die Vorlieben ihrer Gäste und so stehen beim Eintreffen im Restaurant, die Lieblingsgetränke längst auf den Tischen. Ein familiäres Ambiente hatte sich schon nach wenigen Tagen eingestellt und daher fällt vielen Reisenden der nahende Abschied sichtlich schwer. Die Meinung scheint einheitlich „Eine nicht perfekte, aber wunderbare, erste Kreuzfahrt neigt sich dem Ende.“ Schließlich erreicht die MS Seaventure die Außenweser und macht am 25. August, nach 16 Tagen, um 10:00 Uhr am Columbus Cruise Center fest.
Foto: Reyn, ältester Bezirk in Tórshavn
Die MS Seaventure ist ein hervorragendes Schiff, soviel steht fest. Der Service und die Qualität der Speisen an Bord kommen dem bekannten Scylla-Standard bzw. dem Standard auf den VIVA Cruises Flussschiffen nicht nur sehr nahe, sondern übertreffen diesen auch in einigen Bereichen. Die öffentlichen Bereiche sind in einem tadellosen Zustand, ebenso die Kabinen. Trotzdem will man hier in Zukunft noch nachbessern. So sollen die Duschvorhänge in allen Kabinen für immer gegen Glaswände getauscht werden. Auch das wunderschöne Teakholz auf den Außendecks soll nachgearbeitet werden, der Lido Grill wieder öffnen und der Pool mit Wasser gefüllt werden. Die Expedition Lounge auf Deck 7 im vorderen Schiffbereich sieht einer Umgestaltung entgegen und wird möglichst noch in 2022 attraktiver. Die Crew ist immer aufmerksam, bietet einen familiären und sehr kompetenten Service. Auch Sonderwünsche der Gäste werden erfüllt. Das Entertainment habe ich erwähnt. Hier ist vielleicht ein weiterer Künstler in Zukunft wünschenswert. Alternativ Lektoren, welche den gesamten Reisezeitraum über an Bord sind. Das „Soft.Opening“ der MS Seaventure ist am Ende ein gelungenes geworden! Das Schiff bietet ein enormes Potential und ist theoretisch den meisten Schiffen der Mitbewerber, nicht nur durch eine autonome Reichweite von mehr als 30 Tagen, deutlich überlegen. Es gibt zahlreiche Aussichtsmöglichkeiten, trotz der geringen Schiffsgröße eine Menge Platz. Allen Gästen wird für den Zeitraum der Kreuzfahrt eine hochwertige Jacke der Marke Shackleton zur Verfügung gestellt. Das Internet an Bord ist zumeist ebenfalls sehr schnell, die Nutzung darüber hinaus kostenfrei. Das gesamte W-Lan-Netz wurde komplett neu installiert. Der Gast loggt sich zu Beginn der Reise einmal an der Rezeption ein und kann den gesamten Zeitraum über das Internet beliebig nutzen, ohne sich jedes Mal an- oder abmelden zu müssen.
Foto: Seaventure Shackleton Expedition-Jackets
VIVA Cruises hat große, konkrete Pläne für den künftigen Einsatz des Schiffes. Nachdem noch kleinere Hürden überwunden sind, sollte dem Vorhaben nichts mehr im Wege stehen.
Einziger Wehmutstropfen sind die Reiserouten, die aus meiner Sicht deutlich exotischer werden müssen. Mit Standardrouten und Anlaufhäfen, die von den Schiffen der Mitbewerber ebenfalls angelaufen werden, wird das Produkt im harten Wettbewerb einen schweren Stand haben. Die Routenplanungen sehen für die Zukunft vielversprechend aus und sind ein guter Anfang. Ebenso sollten regelmäßige Zodiac-Touren in den Programmen enthalten sein.
Meine kritischen Anmerkungen in diesem Reisebericht richtet sich nicht an VIVA Cruises (da nicht Veranstalter) oder den Organisator des Charterers persönlich, denn dieser hat vor Ort eine durchweg kompetente Arbeit seinen Kunden gegenüber geleistet. Individuell Reisende, die gerne ihr eigenes Landprogramm gestalten möchten und das Abenteuer suchen, sollten vor einer Buchung jedoch entsprechend hinterfragen, ob die MS Seaventure unter VIVA-Regie oder für einen Charterer fährt und was dieser im Detail plant.