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11.Oktober 2014: MS Artania: Erfolgreicher Maschinenausbau in der Lloyd Werft Bremerhaven

MS Artania: Erfolgreicher Maschinenausbau in der Lloyd Werft Bremerhaven

Großprojekt Maschinen- und Generatorerneuerung sowie Baufortschritt der MS Artania am 08./09. Oktober 2014 in der Lloyd Bremerhaven

Bereits am 04. Oktober haben wir uns an Bord der MS „Artania“ umgesehen und waren beeindruckt vom aktuellen Stand des Großumbaus. Hier lesen Sie alle Details (Link).

Am 08. und 09. Oktober stand nun das umfangreichste und auch spektakulärste Projekt des langen Werftaufenthalts der MS „Artania“ auf dem Plan. Eine lange Vorbereitungszeit war notwendig, um die vier Hauptmaschinen und unzählige Rohrsysteme sowie kleinere Generatoren und Maschinen aus dem Rumpf der MS „Artania“ zu entfernen. Bereits in den Vormittagsstunden sind an Land alle Vorbereitungen abgeschlossen und Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, um die erste der jeweils 153 Tonnen schweren Hauptmaschinen aus dem Rumpf zu heben.

Bei den alten Maschinen handelt es sich um Pielstick-Diesel (PC4-2L), die Wärtsilä seinerzeit in Lizenz fertigte und 1984 in die einstige "Royal Princess" einbaute. Jede Maschine bringt etwa eine Leistung von 9.540 PS, also rund 38.160 PS insgesamt.

neue Wartsila Maschinen, Generator und Zwischengetriebe

Foto: neue Wartsila Maschinen, Generator und Zwischengetriebe

Diese nunmehr 30 Jahre alten Maschinen werden ausgetauscht gegen neue, leistungsfähige vier Hauptmaschinen vom Typ Wärtsilä 12V32. Im Zuge dieses Austausches werden auch die vier Zwischengetriebe zwischen den vorhandenen Getrieben und den neuen Hauptmotoren ausgetauscht. Komplettiert wird das Erneuerungsprogramm im Maschinenbereich der „Artania“ durch einen neuen Hilfsdiesel vom Wärtsilä-Typ 8L32 sowie den Einbau neuer Schalldämpfer.

Der Ausbau der MS „Artania“ Maschinen wird zur Meisterleistung

Das „Projekt Maschinentausch“ gestaltet sich deshalb so kompliziert und umfangreich, weil beim Bau eines Schiffes in der Regel nicht vorgesehen ist, die Hauptmotoren noch einmal auszubauen. Entsprechend „eingebaut und versperrt“ sind sie meistens zwischen Zuleitungen, Lüftungsrohren, Kabeln, Trennwänden usw. Und selbst wenn die Bordwand aufgeschnitten und der Weg nach draußen frei ist, lassen sich die Maschinen nicht einfach so bewegen. Sie sind fest verschraubt auf extra angefertigten, massiven Stahlfundamenten und hinzu kommt ein sehr begrenzter Aktionsradius um die Arbeiten auszuführen.

An der Bergung der Stahlmonster waren unterschiedliche Spezialfirmen beteiligt. So zum Beispiel die Firma Lastro Heavylift GmbH aus Duisburg. Die Firma Lastro ist schwerpunktmäßig in allen Bereichen der Industrie tätig und übernimmt dabei Arbeiten, bei denen Schwerkomponenten räumlich und zeitlich begrenzt, auf den Millimeter genau bewegt werden müssen.

Bei der „Artania“ wurden an der Steuerbord- und Backbordseite unterschiedliche Systeme verwendet, denn nur die Backbordseite ist frei zugänglich. Auf der Steuerbordseite steht eine Arbeitshalle direkt am Kaiserdock in dem die „Artania“ liegt. Das nachfolgende Foto verdeutlicht den begrenzten Platz, der einen Kraneinsatz unmöglich macht.

Lastro Hubgeruest und Werfthalle Kaiserdock Lloyd Werft

Foto: Lastro Hubgerüst und Werfthalle Kaiserdock Lloyd Werft

Die Firma Lastro löste das Problem mit einem 200 Tonnen hebenden Hubgerüst. Während im Maschinenraum der „Artania“ beidseitig Schlittsysteme und Stufenheber eingesetzt wurden, um den Motor von seinem Standort aus dem Schiff hinaus zu bewegen, so kam an der Backbordseite an Land die Firma Felbermayr aus der Schweiz zum Einsatz. Die Firma Felbermayr Holding GmbH ist die Dachorganisation für 26 operative Tochtergesellschaften. Die Tätigkeitsschwerpunkte konzentrieren sich auf Transport- und Hebetechnik.

So kam entsprechend ein Raupenkran, genauer gesagt ein LR 1300 zum Einsatz. Der vor Ort befindliche wog inklusive Zusatzgewichte 280 Tonnen und hatte eine Traglast von 300 Tonnen. Mit einer maximalen Geschwindigkeit von 1,3 km/h ist solch ein Kran vergleichsweise sehr langsam.

Bewegende Momente für alle Anwesenden

Um 17:00 Uhr war es soweit und die erste Hauptmaschine wurde aus dem Schiffsrumpf geschoben. Millimeter für Millimeter bewegte sich dieser stählerne Gigant in Richtung Seilwinde des Raupenkrans. Von einem Relikt vergangener Tage zu sprechen wäre übertrieben aber die neuen Motoren werden bei gleicher KW-Leistung erheblich sparsamer, deutlich leichter, kleiner und umweltfreundlicher sein. Die Wartungsintervalle der neuen Antriebsmaschinen sollen nach Herstellerangaben bei bis zu 24.000 Betriebsstunden liegen. 

Ausbau Hauptmaschine 1 MS Artania

Foto: Ausbau Hauptmaschine 1 MS „Artania“

Um 18:30 Uhr ließ der LR 1300 seine ganze Kraft spielen und hob den Stahlriesen langsam in die Höhe. Die Verbindung zwischen Kranhaken und Schiffsmotor wird dabei nicht etwa mit Stahlketten hergestellt sondern mit Nylonseilen! Was völlig unvorstellbar klingen mag aber diese Nylonseile sind so belastbar, dass sie selbst einem Gewicht von 50 Tonnen noch standhalten – pro Seil versteht sich! Neben dieser enormen Belastbarkeit liegt ein weiterer Vorteil auf der Hand – das niedrige Gewicht. Weniger Grundgewicht bedeutet, dass entsprechend der Gewichtsersparnis mehr gehoben werden kann, ließ uns „Hermann“ der nette Fahrer dieses Jumbos wissen.

Die Minuten des Ausbaus der ersten Hauptmaschine waren nicht nur für den anwesenden Phoenix Reisen Geschäftsführer Benjamin Krumpen und Michael Schulze (Director of Cruising) ein bewegender und zugleich historischer Moment.

Schiffsmotoren sind das Herz eines jeden Schiffes

„Die Schiffsmotoren sind das Herz eines jeden Schiffes, das verpflanzt man nicht einfach so“ war einheitlich aus den Reihen der ebenfalls anwesenden Schiffsbesatzung zu hören. Videokameras liefen, Handyfotos wurden gemacht und Kameras klickten, um diesen Moment für immer festzuhalten.

Wie wir im Laufe des Abends erfahren haben, sind die Hauptmaschinen in den letzten 30 Jahren ungefähr 30 Millionen Seemeilen gelaufen, was etwa 50 Millionen Kilometer oder 1.250 Erdumrundungen entspricht. Sicherlich kann man diese Zahl nicht auf die Seemeile genau festlegen aber unvorstellbar viel ist es in jedem Fall. Wenn man bedenkt, dass herkömmliche Dieselmotoren in einem PKW bei 1. Mio. Kilometern Gesamtleistung schon gute Dienste verrichtet haben.   

ein bewegender Moment, Ausbau der Hauptmaschine 1 MS Artania 08.10.2014

Foto: ein bewegender Moment, Ausbau Hauptmaschine 1 MS Artania 08.10.2014

Die Dunkelheit setzte bereits ein, als um 19:30 Uhr der Tieflader der Schwertransportfirma Kahl aus Moers vor die „Artania“ rollte. Für die Firma Kahl ist der 153 Tonnen Hauptmotor der „Artania“ ein Fliegengewicht, denn die Spezialfahrzeuge transportieren bis zu 2.000 Tonnen Ladungen mit Plateaufahrzeugen und technischen Raffinessen durch ganz Europa.

Für den Abtransport des Motors kam ein Plateaufahrzeug mit selbststeuernden Achsen in Modulbauweise zum Einsatz. Je nach Bedarf kann die Ladefläche also verlängert werden, erklärte uns „Jupp“, der routiniert und professionell das 14 m Geschoss mittels der Achsmotoren unter den Schiffsmotor steuerte.

Schwertransportfirma Kahl und einer der Artania Hauptmotoren

Foto: Schwertransportfirma Kahl und einer der „Artania“ Hauptmotoren

Nachtruhe auf der MS „Artania“ Großbaustelle

Schon um 05:00 Uhr hieß es „raus aus den Federn“, Motor Nummer 2 auf der Steuerbordseite wurde vom Hubgerüst der Firma Lastro angehoben.

Hauptmaschine 2 MS Artania am Lastro Hubgeruest

Foto: Hauptmaschine 2 MS „Artania“ am Lastro Hubgeruest

Zwischen 18:00 und 07:00 Uhr morgens besteht in weiten Teilen der MS „Artania“ eine Art Nachtruhe. Es wird zwar rund um die Uhr in mehreren Schichten gearbeitet aber damit die an Bord schlafenden Mitarbeiter nicht von Trennschleifern und Bohrmaschinen wach gehalten werden, erfolgen in den Nachtstunden überwiegend ruhigere Arbeiten.

MS Artania Lloyd Werft Kaiserdock 09.10.2014

Foto: MS „Artania“ Lloyd Werft Kaiserdock II 09.10.2014  

Gegen 13:00 Uhr setzte sich die 500 PS MAN Zugmaschine des Kahl Tiefladers mit dem 2. Hauptmotor der MS „Artania“ in Bewegung. Sowohl die Hauptmotoren als auch alle anderen Systeme aus dem Maschinenraum werden verschrottet und kommen nirgends mehr zum Einsatz.

Hauptmaschine 2 verlaesst MS Artania am 09.10.2014

Foto: Hauptmaschine 2 verlässt MS „Artania“ am 09.10.2014

Da bis zum Ausbau der 3. Hauptmaschine nochmals drei Stunden Zeit vergehen sollten, schauten wir uns inzwischen noch einmal auf den Decks der MS „Artania“ um und entdeckten eine sehr interessante Stelle. Die Sonnendecks um den Artania Pool herum erhalten zu dieser Zeit bereits einen neuen bzw. aufgearbeiteten Teakholz-Boden.

Da wir ja absolute Liebhaber solcher Holzdecks sind, schauen wir uns die Arbeiten genauer an. Dabei hatten wir die Gelegenheit mit einem der Spezialisten für Holzrestaurierung zu sprechen und durften einige Fragen stellen. In letzter Zeit hörten wir in der Fachwelt immer wieder, dass mit Echtholz belegte Außendecks schneller entflammbar sein sollen als die modernen Gummibeläge auf Kreuzfahrtschiffen. Stimmt das? Die Erklärung war ebenso faszinierend wie glaubhaft. An einer unbehandelten Deckstelle zeigte man uns mit einem 1.300 Grad heißen Brenner die Standhaftigkeit der Holzdecks. Außer Ablagerungen von Ruß bleiben zumindest bei kurzfristigem Flammenkontakt keine Schäden zurück. Sobald das Holz nun abgeschliffen wird, sind keine Rückstände mehr erkennbar. Ein Gummibelag wäre dagegen angeschmort. Es ist also völliger Unsinn, dass aus Gründen des Feuerschutzes heute keine echten Holzdecks mehr an Deck verbaut werden. Das Material ist schlicht zu teuer, wenngleich es aus Zuchtbeständen kommt und dafür keine Wälder abgeholzt wurden!

Aufarbeitung Teakholz-Boden Deck 9

Foto: Aufarbeitung Teakholz-Boden Deck 9

Auf obigem Foto erkennt man gut, das bereits abgeschliffene Holz. Die Fugen werden akkurat gesäubert, von Splittern befreit, geglättet und mit Silikon versiegelt. Auch die Haltbarkeit gegenüber Gummibelägen ist nicht kürzer. Zwar verfärbt sich das Holz relativ schnell unter UV-Bestrahlung aber bei guter Pflege, die eine professionelle Versiegelung beinhaltet, können solche Holzdecks problemlos 20 Jahre überdauern. Die „Artania“ ist eines der wenigen Kreuzfahrtschiffe auf dem die Teakholzbeläge in einem wirklich wunderbaren Zustand sind – auch schon vor der Erneuerung.

verfugter, neuer Teakholzboden MS Artania Sonnendeck 09.10.2014

Foto: verfugter, neuer Teakholzboden MS „Artania“ Sonnendeck 09.10.2014

Was auf diesem Foto aussieht wie eine kleine „Sauerei“, ist das bereits in die Fugen gegossene Silikon-/Gummigemisch. Ist es ausgetrocknet, dann fährt die Schleifmaschine über die Decks und übrig bleibt eine perfekt versiegelte Holzoberfläche – der Traum eines jeden Liebhabers klassischer Kreuzfahrtschiffe!

Ein erneuter Blick in die Eignersuite 8339 zeigt uns eine große Veränderung, denn alle Trennwände des damaligen Badezimmers sind im Vergleich zu unserem letzten Besuch verschwunden, die stählernen Unterkonstruktionen für die neuen Fenster bereits eingebaut und die Kabinenwände zum Teil schon neu verspachtelt.

Eignersuite 8339 MS Artania 09.10.2014

Foto: Eignersuite 8339 MS „Artania“ am 09.10.2014

Gegen 15:00 sollte es dann soweit sein und Hauptmaschine Nummer 3 setzte sich auf dem Schlittensystem in Bewegung. Dieses hochinteressante Manöver, wie wir es jetzt mal nennen, hätte man sich sicherlich nirgendwo besser anschauen können als direkt im Maschinenraum

Maschinenraum und Hauptmaschine Nummer 3 MS Artania 09.10.2014

Foto: Maschinenraum und Hauptmaschine Nummer 3 MS „Artania“

Näher dabei sein geht wirklich nicht und auch für uns ist diese Erlebnis großartig. Schließlich werden die riesigen Maschinen, die das Kreuzfahrtschiff seit der Jungfernfahrt angetrieben haben, nur ein einziges Mal ausgebaut. 

Hauptmaschine 3 im Maschinenraum MS Artania 09.10.2014

Foto: Hauptmaschine 3 im Maschinenraum MS „Artania“ 09.10.2014

Nun sind wir natürlich keine Profis, was Maschinenräume betrifft aber offen gesagt hatten wir uns die Situation dort deutlich schlimmer vorgestellt. Man kann sogar von relativer Sauberkeit sprechen, abgesehen von den durch den Ausbau bedingten Schmutzspuren. Für Technik, die derart beansprucht wird, sah alles recht ordentlich und Vertrauen erweckend aus. Ein Wunder ist es aus unserer Sicht allerdings, dass am Ende jedes Rohr und die vielen tausend Kabel wieder das passende Gegenstück finden.

Maschinenraum MS Artania und Hauptmaschine 4 am 09.10.2014

Foto: Maschinenraum MS „Artania“ und Hauptmaschine 4 am 09.10.2014

Den weiteren Verlauf des Ausbaus schauten wir uns wieder von der Landseite aus an. Um 17:40 Uhr verließ der vorletzte Technikgigant das Kaiserdock in der Lloyd Werft.

Ausbau Hauptmaschine 3 MS Artania 09.10.2014

Foto: Abtransport der Hauptmaschine 3 MS „Artania“ 09.10.2014

Mindestens so umfangreich wie der Aus- und Einbau der Motoren ist die Erneuerung der gesamten Frischwasserleitungen, die eine Länge von rund 5 Kilometern entsprechen.

Fast schon nebenher läuft die fristgerechte Jahresdockung mit der Wartung der Ruderanlage, dem Ausbau der beiden Schiffspropeller und der Überprüfung von Stabilisatoren und Bugstrahlrudern. 

Stabilisatoren MS Artania 09.10.2014

Foto: einer der Stabilisatoren MS „Artania“ 09.10.2014

Zur Zeit ist es nur schwer vorstellbar, dass in etwa mehr als 60 Tagen der letzte Werftarbeiter das Schiff verlassen wird. Spätestens dann sind Schlagbohrer und Schleifmaschinen verstummt und es ertönt wieder klangvolle Pianomusik aus den Bars und Lounges. Spätestens dann sind die grellen Lichter von Schweißgeräten erloschen und es brennen stimmungsvolle Deckenleuchten in den Restaurants. 

Die Außenhaut sowie die Außendecks erhalten einen kompletten Neuanstrich. Der alte Lack wird mit einem Hochdruck-Wasserstrahl von 800 bar (!) entfernt bzw. abgespült. Die Lackreste werden gesammelt und entsorgt, das Wasser fließt ab und wird wieder aufbereitet. Es entstehen durch dieses Verfahren keine schädlichen Dämpfe und der Einsatz von Chemikalien und Reinigungsmitteln entfällt. 

Die in unserem Bericht zusammengetragenen Detailinformationen und Daten stammen ausschließlich von persönlichen Gesprächen mit den Fachleuten und Mitarbeitern der jeweiligen Partnerfirmen vor Ort. Wir selbst sind keine Profis und bitten um Nachsicht, dass wir alle Erklärungen möglichst für jedermann verständlich und ohne Gewähr auf Richtigkeit wiedergegeben haben.

  • Die komplette Bildergalerie vom 08./09. Oktober 2014 mit allen Fotos von der Großbaustelle << hier >>

 


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