Kreuzfahrten & mehr

20.September 2016: An Bord: MS Nordstjernen - der im Jahr 1956 bei Blohm & Voss in Hamburg gebaute Passagierschiff-Klassiker

Es ist noch früh am Morgen, als sich die MS Nordstjernen am 16. September 2016 ihren Weg auf der Elbe entlang in Richtung Hamburg bahnt. Der schnittige, dunkle Bug gleitet dabei lautlos an Willkommhöft und Blankenese vorbei, immer wieder lugt die Sonne durch die Wolkendecke hindurch. Die Nordstjernen war bis zu ihrer Außerdienststellung im Jahr 2012 das dienstälteste Linienschiff der Hurtigruten und ist beinahe ohne Unterbrechungen, fast 60 Jahre lang, im Liniendienst an der Küste Norwegens unterwegs gewesen.

Gebaut wurde dieser traumhaft schöne Passagierschiff-Klassiker 1956 auf der Blohm & Voss Werft in Hamburg. Pünktlich zum 60. Geburtstag stattete die Nordstjernen ihrer alten Heimatstadt nun einen Besuch ab – zuletzt war sie im Jahr 2006 in Hamburg zu Gast.

Nach der Außerdienststellung bei den Hurtigruten wurde die Nordstjernen auf einer Werft in Danzig grundlegend überholt, unter Denkmalschutz gestellt und ist seither beinahe im Originalzustand auf Charter- und kleinen Expeditionsreisen rund um Spitzbergen im Einsatz.

Überall stehen bei ihrem erneuten Besuch Schaulustige und trauen ihren Augen kaum, als die Nordstjernen auf der Elbe an ihnen vorbei rauscht. Zwar wurde ihre Ankunft in den Medien angekündigt, so richtig glauben können es einige „alte Seebären“ aber dennoch nicht. So lässt uns Manfred aus Finkenwerder wissen, dass er damals mit gebaut hat am Hurtigruten-Neubauprogramm zwischen 1954 und 1956 auf der Blohm & Voss Werft. Mehrmals muss er schlucken, als er „sein“ Schiff nach 60 Jahren in einem offenbar tadellosen Zustand wiedersehen darf. Er verrät uns, dass er die Kurzreise von Hamburg durch den Nord-Ostsee-Kanal in Richtung Kiel am 18. September gebucht hat.

MS Nordstjernen am 16. September 2016 auf  der Elbe in Richtung Hamburg

Foto: MS Nordstjernen am 16. September 2016 auf der Elbe in Richtung Hamburg

Vom Museumshafen Övelgönne hallen Grüße aus der Dampfpfeife vom Dampf-Eisbrecher Stettin zur Nordstjernen hinüber, die ihrerseits mehrfach das Typhon erklingen lässt. Kurz darauf stößt das Oldtimer-Feuerlöschboot „Feuerwehr IV“ aus dem Jahr 1930 zur Nordstjernen und begleitet sie zur Überseebrücke. Dort wird für die nächsten 46 Stunden festgemacht.

Die Nordstjernen ist 80,7m lang und 12,6m breit, ist maximal 16 Knoten schnell, hat eine Vermessung von 2.194 BRZ und verfügt über 74 Passagierkabinen mit insgesamt 150 Betten.

Doppelpoller, Gangspill, Echtholz und ganz viel Seefahrtromantik

Wir nutzen die Gelegenheit und schauen uns ausführlich an Bord der Nordstjernen um, die bereits von Außen durch ihren genieteten Rumpf und die perfekt proportionierten Aufbauten begeistert.

Kaum betreten wir die Nordstjernen im Bereich der Rezeption auf dem A-Deck, verlassen wir das Jahr 2016 und beginnen eine Zeitreise zurück in die Welt der klassischen Passagierschiffe. Wir stehen auf massiven, tadellos gepflegten Holzplanken, schauen auf dicke Echtholztüren, unverkleidete Kabelleitungen an der Decke, die Eingangstür zum kleinen Hospital und lange, offene Promenaden an der Backbord- und Steuerbordseite.

MS Nordstjernen Rezeption, Hospital und offene Promenade

Foto: MS Nordstjernen Rezeption, Hospital und offene Promenade

Entgegen unserer sonst üblichen Vorgehensweise, die Schiffe vom obersten zum untersten Deck (oder umgekehrt) zu durchlaufen, beginnen wir auf der Nordstjernen gleich auf dem mittleren A-Deck – zu sehr fasziniert uns die beidseitig der Nordstjernen verlaufende, endlos erscheinende Außenpromenade.

MS Nordstjernen A-Deck mittschiffs Promenade backbord

Foto: MS Nordstjernen A-Deck mittschiffs Promenade Backbord

Zum Heck hin führt die Promenade zu einem offenen Deckbereich an dessen Ende sich ein riesiges Gangspill zum einholen der dicken Trossen befindet. Diese liegen ordentlich auf dem mit Holz getäfelten Achterdeck. Auf den meisten Passagier- und Kreuzfahrtschiffen ist der Bereich für die Passagiere nicht mehr öffentlich zugänglich, auf der Nordstjernen entsteht hier echte Seefahrtromantik, welche durch Original Doppelpoller auf der Promenade und dem Achterdeck weiter verstärkt wird. Eine massive Holztreppe führt hinauf auf das Promenadendeck. Wir umrunden zunächst das Achterschiff der Nordstjernen und stehen kurz darauf wieder an der Rezeption.

MS Nordstjernen A-Deck achtern mit Treppe zum Promenadendeck, Gangspill und Doppelpoller

Foto: MS Nordstjernen A-Deck achtern mit Treppe zum Promenadendeck, Gangspill und Doppelpoller

Von dort aus führen beidseitig des Schiffes kleine Außenpromenaden zu einer steilen Treppe, die oberhalb von einer Luke verschlossen ist. Nach dem Öffnen befinden wir uns direkt auf dem langen Vorschiff der Nordstjernen. Viele Teile, wie Ankerwinden, Doppelpoller und Ladegeschirr sind noch Original erhalten, nur einige Rollen zur Führung der Trossen wurden durch neue ersetzt. Das Vorschiff ist im Normalbetrieb des Schiffes für die Passagiere nicht öffentlich zugänglich. Auffallend ist auch auf dem Vorschiff der massive Holzbelag auf dem Boden, welcher immerhin 2/3 dieses Bereiches ziert – lediglich um die Ankerwinden herum ist dicker Stahl verbaut. Zwei kleinere Kräne verfügen über eine Tragfähigkeit von jeweils einer Tonne, der Hauptkran kann ein maximales Gewicht von zwei Tonnen heben. Derzeit befinden sich noch drei Zodiac Boote auf dem Vorschiff, die bei Exkursionen rund um Spitzbergen genutzt werden. Bis in die 1990er Jahre wurde mittels der Bordkrane sogar bis zu drei PKW in den Ladeluken verstaut. 

MS Nordstjernen Vorschiff

Foto: MS Nordstjernen Vorschiff

Damals ein Zweiklassen-Schiff

Wir bleiben auf dem Promenadendeck und schauen uns die große Lounge (früher 1. Klasse Panoramasalon) im vorderen Schiffsbereich an, welche uns mit ihrem schlichten Charme der frühen 60er Jahre sofort begeistert. Lampen und Accessoires sind Original erhalten, das Mobiliar hat natürlich im Laufe der Zeit immer wieder eine Auffrischung bekommen – zuletzt im Jahr 2013. Das Treppenhaus im Vorschiff ist ebenso unverändert geblieben wie das angrenzende Restaurant.

MS Nordstjernen Treppenhaus Vorschiff Promenadendeck

Foto: MS Nordstjernen Treppenhaus Vorschiff Promenadendeck

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die Nordstjernen seinerzeit – wie alle Hurtigrutenschiffe – als Zweiklassen-Schiff konzipiert und ausgelegt wurde. Sie verfügte damals über 62 Betten in der 1. Klasse und 130 Betten in den Kabinen der 2. Klasse. Maximal waren bei direkten Küstenfahrten bis zu 600 Passagiere zugelassen, die zum Großteil während der kurzen Fahrten zwischen den Häfen an Deck verweilten. Entsprechend der Unterteilung in zwei Klassen, gab es zu Beginn auch zwei Restaurants und zwei Salons sowie auch ein Postkontor. Im Jahr 1983 erfolgte der große Umbau zum Einklassen-Schiff, bei dem die öffentlichen Bereiche den neuen Anforderungen angepasst wurden. Aus diesem Grunde stammt nicht das gesamte Mobiliar aus den 50er oder 60er Jahren, sondern ist gerade im Bereich des hinteren Salons deutlich jünger. Die letzte Renovierung liegt gerade einmal 3 Jahre zurück, bei der die Nordstjernen auch ihr damaliges Farbkleid zurück erhalten hat. Solche Renovierungen sind zwar umfassend, betreffen in erster Linie aber die technischen Bereiche, weshalb die Nordstjernen auch heute noch weitgehend im traditionellen Stil erhalten geblieben ist.

MS Nordstjernen Restaurant

Foto: MS Nordstjernen Restaurant

Dem Restaurant schließt sich eine gemütliche Cafeteria nebst Theke und abgetrennter Bar an (früher 2. Klasse-Bereich). An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die Nordstjernen natürlich überhaupt nicht für gehbehinderte Reisegäste geeignet ist. Zwischen allen Räumlichkeiten befinden sich höhere Schwellen, die Treppen sind zum Teil steil und die Kabinengänge schmal.

MS Nordstjernen Cafeteria

Foto: MS Nordstjernen Cafeteria

Nach dem Durchqueren der Cafeteria befinden wir uns achtern im Salon der Nordstjernen, welcher mit seinen Korbstühlen noch den jüngsten Eindruck aller öffentlichen Bereiche an Bord macht. Auch dieser Salon war früher ein Bereich für die Passagiere der 2. Klasse.

MS Nordstjernen Salon achtern

Foto: MS Nordstjernen Salon achtern

Glänzender Lack und penible Sauberkeit sind eine Augenweide

Ein echtes Highlight an Bord der Nordstjernen ist zweifelsfrei das weitläufige, mit dicken Holzplanken ausgelegte Achterdeck – maritimer kann ein Schiff kaum noch sein, mag man meinen. Die Nordstjernen hält allerdings noch so einige Überraschungen für den Liebhaber historischer Passagierschiffe bereit. Bemerkenswert ist nicht nur der hervorragende Zustand der Hardware sondern auch die Sauberkeit an Bord. Die Lackierungen auf den edlen Hölzern glänzen trotz fehlender Sonneneinstrahlung, die Böden sind frei von Dreck und Rostflecke finden sich wirklich nur nach akribischer Suche an besonders kritischen Stellen. Die Nordstjernen ist bisher eine reine Augenweide.

MS Nordstjernen offenes Teak-Achterdeck

Foto: MS Nordstjernen offenes Teak-Achterdeck

Wir bleiben zunächst auf dem Promenadendeck und nutzen das achtern gelegene Treppenhaus für einen Besuch der unteren Decks. Im Treppenhaus wartet sogleich die nächste Überraschung auf den Besucher – eine historische Bildergalerie vom Bau, dem Stapellauf und der Indienststellung der Nordstjernen. Die Bildergalerie erstreckt sich über das Treppenhaus zwischen Promenadendeck, A-Deck und B-Deck.

MS Nordstjernen Treppenhaus achtern mit Bildergalerie vom Bau bei Blohm und Voss

Foto: MS Nordstjernen Treppenhaus achtern mit Bildergalerie vom Bau bei Blohm und Voss

Eine Toilette als Notausgang

Die unteren Kabinendecks, A-Deck, B-Deck und C-Deck sind relativ übersichtlich konzipiert, eine Orientierung fällt nicht schwer. Klassischer Charme dominiert auch auf den unteren Decks, die hohen Schwellen der wasserdichten Schotten und Feuerschutztüren sind Zeitzeugen vergangener Tage und nicht weniger Interessant ist eine Toilette, die zugleich auch als Notausgang konzipiert wurde. 

MS Nordstjernen Toilette und Notausgang C-Deck

Foto: MS Nordstjernen Toilette und Notausgang C-Deck

Entwürfe aus den 1930er Jahren mit Titanic-Flair auf dem Bootsdeck

Wir verlassen nun die unteren Decks und begeben uns über das achtern gelegene Treppenhaus wieder auf das große Promenadendeck. Von dort aus führt eine große Treppe hinauf auf das Bootsdeck. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir durchaus der Meinung, die größten Highlights an Bord der Nordstjernen bereits gesehen zu haben, doch das Bootsdeck setzt dem maritimen Charakter des Schiffes noch die Krone auf. Die genieteten, schneeweißen Rettungsboote befinden sich seit der Indienststellung an Bord und hängen noch an den Original Davits bzw. stehen ordentlich aufgereiht auf dem penibel polierten Bootsdeck. Natürlich ist der Vergleich weit hergeholt aber irgendwie hat das alles etwas „Titanic-Flair“. Das mag auch daran liegen, dass die Entwürfe für die Nordstjernen in vielen Bereichen aus den 1930er Jahren stammen und das Schiff optisch noch nostalgischer erscheinen lassen.

Die Rettungsboote entsprechen übrigens nicht mehr den heutigen SOLAS Bestimmungen (z.B. keine Doppelkammer), wenngleich sie natürlich noch voll funktionsfähig sind. Sie dürfen aber aufgrund der Erfüllung immenser Sonderauflagen weiterhin an Bord stehen. Die Rettung der Passagiere kann im Notfall mit diesen Booten immer noch gewährleistet werden, die Auflagen fordern aber weitere Rettungsmittel – hier kommen dann die nachträglich installierten Rettungsinseln zum Einsatz. Letztendlich verfügt die Nordstjernen also über weit mehr Plätze in Rettungsbooten und Rettungsinseln als sich Menschen an Bord befinden.

MS Nordstjernen Bootsdeck mit Rettungsbooten

Foto: MS Nordstjernen Bootsdeck mit Rettungsbooten

Ein Besuch auf der historisch modernen Kommandobrücke

Beidseitig vom Bootsdeck verlaufen zwei kleine Außenpromenaden in Richtung Kommandobrücke, die im Außenbereich jeweils über eine kleine Treppe zugänglich ist. Die Kommandobrücke lässt die Herzen von Nostalgiefans noch einmal richtig hoch schlagen, denn die meisten, alten Navigationsgeräte befinden sich immer noch an Bord. Der historische Charakter wird durch nachträglich installierte Flachbildschirme und einige Computer optisch getrübt, wenngleich diese moderne Technik auch Beweis dafür ist, dass die Nordstjernen noch lange nicht in den Ruhestand geschickt werden darf. Die Kommandobrücke ist quasi historisch modern.

MS Nordstjernen Kommandobrücke

Foto: MS Nordstjernen Kommandobrücke

Mit dem Besuch auf der Brücke endet nun auch unser Rundgang über dieses wunderschöne Passagierschiff, welches im Jahr 1956 auf der Blohm & Voss Werft in Hamburg das Licht der Welt erblickte. Alte Doppelpoller, Nieten, rekordverdächtig viel Echtholz und ganz viel Seefahrtromantik - gepaart mit dem Charme der frühen 60er Jahre - erwarten die Gäste an Bord der Nordstjernen. Das Personal an Bord ist überaus freundlich, serviceorientiert und mindestens so begeistert von diesem Schiff wie die meisten Passagiere, welche sich für eine Seereise an Bord der Nordstjernen entscheiden.

Unser Fazit:

Liebhaber der klassischen Seefahrt bzw. all jene Individualisten, die kein Interesse an einer regulären Kreuzfahrt bekunden und eine Vorliebe für außergewöhnliche Küstenreisen in Norwegen, Spitzbergen und dem übrigen Nordeuropa - im Stile der klassischen Postdampfer früherer Zeiten - bekunden, ist die Nordstjernen das perfekte Passagierschiff.

  • Komplette Bildergalerie mit allen Innenfotos der Nordstjernen >>Link<<

Benannt wurde die Nordstjernen übrigens nach dem bekanntesten Stern am Himmel, dem Nordstern – oder auch Polarstern genannt.

Reisen mit der Nordstjernen: Auch im Jahr 2017 sind wieder unterschiedliche Reisen mit der Nordstjernen geplant. Gerne informieren wir Sie über weitere Einzelheiten. Senden Sie uns einfach eine unverbindliche Mail an kontakt@kreuzfahrten-mehr.de oder rufen Sie uns an unter 04893-4288535.


 Zurück zur Übersicht