Viele Wochen des Bangens über die Zukunft der MS Deutschland, dem ehemaligen ZDF-Traumschiff liegen zurück.
Die letzten Monate waren sehr bewegt, was die Schlagzeilen des beliebten und bekannten ex ZDF-Traumschiff MS Deutschland betrifft. Im Grunde folgte eine Schreckensmeldung nach der anderen. Zum Teil weil unklar war, was mit dem Kreuzfahrtschiff geschehen würde, zum Anderen aber auch, weil die Boulevard-Presse offenbar Gefallen daran fand, sich am Schicksal dieses Schiffes und seiner Besatzungsmitglieder zu ergötzen.
Die MS Deutschland war nicht länger Drehort für die ZDF-Fernsehserie Das Traumschiff sondern wurde zum Schauplatz eines Wirtschafts- und Medienkrimis. Regelmäßig waren Schlagzeilen wie „Das Traumschiff wartet vor Gibraltar auf einen Investor oder die Verschrottung“, „Das Traumschiff gammelt mit Not-Besatzung vor sich hin“, „von der strahlenden Göttin zum rostigen Kahn“… zu lesen - um nur einige der Meldungen sinngemäß wiederzugeben. Tränen der Verzweiflung sind geflossen, weil der unermüdliche Kampf der Besatzungsmitglieder, die Deutschland, das Traumschiff zu erhalten, verloren schien.
Doch dann kommt alles anders.
Ein Käufer ist gefunden, die Zukunft der MS Deutschland offenbar gesichert. Ein Grund zur Freude? Ganz so rosig sind die ersten Meldungen zu den Plänen zunächst nicht. Ein Einsatz als Wohnschiff für Arbeiter ist geplant und ein kompletter Umbau zum Studentenschiff samt Umbenennung in MS World Odyssey soll erfolgen.
Niemand hat zu diesem Zeitpunkt jedoch Plantours Kreuzfahrten auf dem Plan, die aufgrund eines unvorhersehbaren Werftaufenthaltes ihrer MS Hamburg, dringend einen Ersatz für die Sommerreisen suchen.
Nach mehreren Monaten Aufliegezeit vor Gibraltar nimmt die MS Deutschland schließlich Kurs auf Norddeutschland, der Einsatz als Wohnschiff für Arbeiter am Suez-Kanal entfällt. Die MS Deutschland ist zurück auf dem Deutschen Markt und sticht von Kiel aus unter Plantours-Flagge in See, zumindest für einige Wochen. Seit dem 10. August liegt das 175 m lange und 22.496 BRZ große Kreuzfahrtschiff nun in der Lindenau Werft in Kiel und wird fit gemacht für den Einsatz als schwimmende Universität für das Programm Semester at Sea der Universität von Virginia.
Foto: MS World Odyssey in der Lindenau Werft in Kiel
Wir haben uns am 30. August 2015 an Bord umgesehen.
Die auffälligste Veränderung fällt bereits bei der Anfahrt auf die Lindenau Werft in Kiel ins Auge – der Name MS Deutschland ist verschwunden, zumindest auf den ersten Blick. In großen Lettern steht nun sowohl am Bug als auch am Heck und unterhalb des Signalmastes der neue Name „World Odyssey“. Schaut man näher hin, dann sind die angeschweißten, alten Buchstaben weiterhin deutlich sichtbar. Nicht ohne Grund, wie man uns erklärt, denn es ist weiterhin geplant die MS World Odyssey unter dem Namen MS Deutschland in den Sommermonaten auf dem deutschsprachigen Markt zu positionieren. Wie dumm wäre es da, die Buchstaben komplett zu entfernen – was problemlos machbar ist.
Wir betreten die MS Deutschland – ach nein, die MS World Odyssey – durch die Eingangshalle auf Deck 5. Für uns ist es irgendwie immer noch die MS Deutschland, wir mögen uns noch nicht an den neuen Namen gewöhnen.
Foto: MS World Odyssey Empfangsbereich
Der Teppich ist mit durchsichtiger Plastikfolie abgedeckt, zum Schutz vor Schmutz. Ansonsten bekommt der Besucher das Gefühl, die letzten Gäste sind gerade erst von Bord. Verändert hat sich nichts. Oder doch? Die Blumenkübel sind verschwunden.
Mit dem Fahrstuhl geht es hinauf auf Deck 9, das Lido Deck.
Von großen Veränderungen auch hier keine Spur. Die Liegestühle und Sonnenschirme stehen sauber und ordentlich gestapelt in einer Ecke, der echte Holzboden ist sauber und in einem relativ guten Zustand, der Pool ist mit Wasser gefüllt. Blickt man mittig auf den Schornstein, könnte man meinen, an Bord der MS Deutschland zu sein. Es fehlt nur der Schriftzug „Das Traumschiff“. Natürlich sind wir auch an Bord der MS Deutschland – nein, MS World Odyssey. Vielleicht sollten wir sie „Ex MS Deutschland“ nennen oder die „neue MS World Odyssey“? Wie auch immer, blicken wir auf das Wesentliche.
Foto: MS World Odyssey Sonnendeck
Die Lido-Terrasse ist sauber herausgeputzt und völlig unberührt. Daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Gut, hier und da sind Glühbirnen und andere Leuchtmittel defekt – das hätte es damals nie gegeben. Weitere Auffälligkeiten sind aber nicht zu erkennen.
Foto: MS World Odyssey Lido Terrasse
Im weiteren Verlauf unseres Rundgangs fällt natürlich der „neue“ Schornstein ins Auge, der nun weder vom roten Deilmann-Logo noch vom auffälligen Gelb aus der Charterzeit von Plantours Kreuzfahrten geziert wird. Er erstrahlt in frischem Weiß. An beiden Seiten ist eine stilisierte Weltkugel samt Schriftzug „Semester at Sea“ angebracht. Die ist übrigens nicht extra angefertigt worden sondern stammt vom Vorgängerschiff, der MV Explorer.
Foto: MS World Odyssey Semester at Sea Logo am Schornstein
Inzwischen sind wir am Lido Café angekommen, bauliche Veränderungen oder gestalterische Neuerungen sind weiterhin nicht zu erkennen. Das Mobiliar ist ebenfalls noch im Original vorhanden. Die weiß-gelben Sonnenschirme wurden für die Dauer des Werftaufenthaltes entfernt, kommen aber in Kürze wieder an ihren gewohnten Platz in der Tischmitte. Der Teak-Boden sieht auf den ersten Blick unversehrt aus, weist aber inzwischen die ersten Problemstellen auf, die eigentlich zeitnah beseitigt werden müssten, um das Schadbild nicht zu vergrößern.
Foto: MS World Odyssey Lido Café Deck 9
Im Lido Gourmet Restaurant steht das Original Deilmann-Geschirr in den Schränken, die Tische sind nicht eingedeckt und geringfügig umgestellt, der Teppich hat seine besten Tage hinter sich – aber sonst sind auch hier keine nennenswerten Dinge verändert worden.
Foto: MS World Odyssey Lido Gourmet Restaurant
Die Bibliothek auf Deck 8, dem Admiralsdeck, lässt keinerlei Umgestaltungen erkennen, auch nicht der Konferenz-Raum auf selbigem Deck.
Wir gehen hinunter auf das Kommodore-Deck, betreten die Bar Zum Alten Fritz und staunen abermals – uns erwartet das gewohnte Bild vergangener Tage. Naja, fast. Die Flaschen und Gläser an der Bar sind verschwunden, aus den Lautsprechern ist keine klassische Musik zu hören und in der Ecke steht ein einsames Rednerpult und wartet auf seine künftige Verwendung. Stille macht sich breit. Einige Leuchtmittel in den Lampen sind defekt.
Foto: MS World Odyssey Bar Zum Alten Fritz
Nächste Station ist das Restaurant Vier Jahreszeiten, der Name steht weiterhin in auffälligen Messingbuchstaben vor der Eingangstür angeschlagen. Hatten nicht irgendwelche Quellen davon berichtet, dass die Mehrzahl der Räume einen neuen Namen erhält?! Wie dem auch sei, selbst die Galerie vor dem Restaurant ist absolut unverändert, die Bilder und Kunstgegenstände stehen komplett an ihrem ursprünglichen Platz.
Nach dem Betreten des Restaurants ist die erste, „deutliche“ Umbaumaßnahme erkennbar. Es fehlen mittig zwei runde Tische. Ein Rednerpult steht nun dort wo einst die freundlichen Restaurantmitarbeiter für das Wohl der Gäste sorgten. Die Stühle werden künftig in Reihen hintereinander aufgestellt und schon ist der neue Klassenraum fertig. Von einer weitreichenden Umgestaltung ist überhaupt nichts zu erkennen, sie wird auch nicht erfolgen! Alle anderen Bereiche dieses Restaurants bleiben unangetastet! Die defekte Deckenbeleuchtung in der Restaurantmitte fällt negativ auf.
Foto: MS World Odyssey Restaurant Vier Jahreszeiten
Wir laufen vorbei an den Kolonnaden, dem ehemaligen Shop-Bereich der MS Deutschland. „Alles leer“ wäre die Kurzbeschreibung. Künftig sind hier statt Juwelen und teurer Uhren diverse Utensilien des täglichen Gebrauchs zu erhalten, wozu auch Schreibblocks, Taschenrechner und Hygieneartikel gehören.
Über das vordere Treppenhaus gelangen wir auf Deck 6, das Deutschland Deck, und betreten den Kaisersaal. Sollte nicht auch dieser zu einem großen Klassenraum umgebaut werden? Außer einigen Kartons auf der Bühne ist und bleibt auch dieser Raum wie er ist. Die Lektoren und Professoren nutzen die bereits vorhandene Bühne, die Studenten die entsprechenden Sitzmöglichkeiten im Kaisersaal. Bei Bedarf lassen sich die Sessel umstellen, die Tische bleiben alle stehen. Das Prinzip ist völlig simpel und umkompliziert. Die Ankündigung, es würden klassische Holztische und Metallstühle, wie wir sie aus typischen Klassenzimmern kennen, die Plüschsessel und Cocktailtische ersetzen ist schlicht falsch!
Foto: MS World Odyssey Kaisersaal
Eigentlich könnten wir unseren Rundgang bereits an dieser Stelle abbrechen, denn uns ist im Prinzip klar, dass all die dramatischen Ankündigungen um die Umbaumaßnahmen der MS Deutschland, wie sie im Vorfeld verbreitet wurden, kompletter Unsinn sind. Es war nie geplant, das Schiff zu entkernen und es war ebenso wenig geplant, aus der stilvollen Einrichtung diverse sterile Klassenzimmer zu machen. Warum nicht? Weil das Schiff dann nicht mehr problemlos in den regulären Kreuzfahrtdienst zurückkehren könnte, zu groß wären die jeweiligen Veränderungen für Charterkunden. Das hat man bereits bei den Vorgängerschiffen nicht getan, weshalb sollte es nun bei der MS World Odyssey anders sein?
Die Planungen sehen weiterhin vor, das Kreuzfahrtschiff im Sommer 2016 wieder unter dem Namen MS Deutschland in Nordeuropa fahren zu lassen. Ob diese Pläne letztendlich umgesetzt werden, bleibt dagegen abzuwarten.
Der Vollständigkeit halber schauen wir uns nun auch noch die übrigen Bereiche an Bord an. Im Salon Lili Marleen existiert die Sitzecke, in der diverse Erinnerungsstücke an den Mythos MS Deutschland erinnern, ebenso wie die restliche Einrichtung. Jeder Sessel steht derzeit noch an seinem ursprünglichen Platz, lediglich die Tische und Lampen dazwischen wurden eingelagert – so lassen sich die Stühle in Reihen hintereinander aufstellen. Ohne viel Mühe entsteht ein weiterer Klassen- und Vortragsraum.
Foto: MS World Odyssey Salon Lili Marleen
Im Restaurant Berlin werden große Flachbildschirme aufgehängt, die Tische sind kahl und der blaue, abgenutzte Teppich tut weiterhin seinen Dienst. Im Prinzip das gewohnte Bild der letzten Monate. Beim vorgesehenen Werftaufenthalt sollte der bisherige Buffetbereich abgebaut und das Restaurant umgestaltet bzw. zu Gunsten eines erweiterten Raumangebots verändert werden. Dazu kam es am Ende bekanntlich nicht mehr. So bleibt auch der alte Teppich drin.
Foto: MS World Odyssey Restaurant Berlin
Zwischen den einzelnen Decks hat sich überhaupt nichts verändert, alle Kunstgegenstände und Skulpturen stehen weiterhin an ihren bisherigen Plätzen, werden trotz einer hohen Anzahl von Anfragen seitens ehemaliger MS Deutschland Passagiere, nicht verkauft oder entfernt.
Foto: MS World Odyssey Atrium Deck 7
Auf Deck 3 liegen das Hallenbad, der Massage- und Beautybereich – Umgestaltungen? Überhaupt keine. Auch hier ist, wie inzwischen bei manch anderen Bereichen, die Zeit nicht spurlos an der Einrichtung vorbei gegangen. Im Pool fehlen einige Fliesen, unschöne Ränder trüben das einst makellose Gesamtbild und die Pflanzendekoration ist verschwunden - wie leider überall auf dem Schiff.
Foto: MS World Odyssey Hallenbad und Spa
In den Kabinen der Decks 4 und 5 sind die nicht trennbaren Doppelbetten jeweils Einzelbetten gewichen. Die Doppelbetten sind eingelagert und können jederzeit wieder dort hinein gestellt werden.
Bevor wir nun von Bord gehen, fassen wir in einem kleinen Fazit unseren Gesamteindruck zusammen.
Natürlich hat sich viel verändert, seit die letzten Gäste unter Deilmann-Flagge von Bord gegangen sind. Die Crew, die auch die Seele eines Kreuzfahrtschiffes darstellt – zumindest auf den kleinen, persönlichen Kreuzfahrtschiffen – ist fast komplett verschwunden und den eigentlich längst überfälligen Werftaufenthalt kann man definitiv nicht verleugnen. Alleine dem Einsatz und der guten Pflege der Deilmann-Crew ist es zu verdanken, dass die Hardware über viele Jahre einen nahezu perfekten Zustand behalten hat. Ob sie nun jedem gefällt, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks. Normale Verschleiß- und Abnutzungsspuren bleiben jedenfalls nicht aus. Auf Hochglanz poliert wurde die MS Deutschland dann zuletzt im Sommer von der Crew der MS Hamburg von Plantours Kreuzfahrten. All diese Pflege ist zweifelsfrei deutlich erkennbar. Dennoch ist aus unserer Sicht ein Werftaufenthalt, bei dem Renovierungsmaßnahmen umgesetzt werden, unvermeidbar – will man einen gewissen Standard auf diesem Schiff in Zukunft halten.
Ramschig, billig, geschmacklos – die „neue“ MS World Odyssey
So urteilen jedenfalls diverse Kommentatoren auf unterschiedlichen Internet-Plattformen, in Foren oder Gruppen. Die World Odyssey sieht „ramschig und billig“ aus, „der amerikanische Eigner hat keinen Geschmack“, der ursprüngliche Name wurde „primitiv übergepinselt“. Primitiv scheinen uns alleine die Autoren solcher Kommentare zu sein, die schlicht Negativ-Propaganda betreiben und nicht informiert sind bzw. nicht informiert sein wollen. Sicherlich ist der persönliche Geschmack eines jeden Menschen unterschiedlich aber worin liegt der Sinn, die World Odyssey nun zu einem „ramschigen Billigschiff“ zu deklassieren? Nach dem derzeitigen Stand steht einer Rückkehr auf den deutschsprachigen Markt nichts im Wege – fehlt „nur“ der unterschriebene Chartervertrag. Die Weichen sind zumindest gestellt und wenn das Schiff künftig im 3-4 Sterne Segment platziert wird, dann sollte bei entsprechenden Reisepreisen auch die Auslastung stimmen. Das mag für Fans schmerzhaft klingen, macht das Schiff aber aus unserer Sicht wieder wettbewerbsfähig.
Übrigens, die Studenten zahlen für die jeweils rund 100-tägige Herbst- oder Frühjahrsreise in der Innen-Doppelkabine bzw. in der Außen-Dreibett-Kabine einen Reisepreis von 23.950,- US $ pro Person, die Doppel-Außenkabine liegt bei 29.950,- US $. Zwar sind darin diverse Leistungen wie An-/Abreise, Reiseversicherung, Visa, Hafengebühren, Verpflegung, E Mail Account usw. enthalten, aber ein Schnäppchenpreis ist es definitiv nicht, auch wenn die Tagesrate von 240,- bzw. 300,- US $ zunächst relativ günstig erscheint.
Studenten benehmen sich wie die Schweine
Oft ist zu hören, dass die Studenten das Schiff „in Schutt und Asche“ legen werden und sich wie die Schweine verhalten. Nun, wir stellen jetzt die freche Behauptung auf, dass sich die Studenten sicherlich besser benehmen können und pfleglicher mit dem Schiff umgehen als es manche Presse- und Reisebüromitarbeiter auf Einführungsfahrten neuer Kreuzfahrtschiffe tun! Über die Schäden, die regelmäßig auf solchen Fahrten entstehen, wird aber Stillschweigen bewahrt – wer klagt sich schon selbst gerne an!? ;-)
Am 7. September 2015 soll die World Odyssey die Lindenau Werft in Kiel verlassen, technisch wird sie dann allen gültigen, internationalen Bestimmungen und Anforderungen gerecht.