Ich bin einen Tag vor der Einschiffung aus Toronto kommend in New York eingetroffen. Für Schiffsreisen ab dem Kreuzfahrtterminal Brooklyn ist das Hotel The Lodge Red Hook ideal. Es liegt in fußläufiger Entfernung von der Pier. Frühstück ist im Zimmerpreis enthalten und Check Out ist erst um 12 Uhr.
Tag 1
Cunard hat mir als Einschiffungszeit 13.45 Uhr mitgeteilt. Online Check in geht bei Cunard erst ab 21 Tage vor der Abfahrt. Ich bin zu diesem Zeitpunkt bereits unterwegs (siehe Bericht Teil 1). Es gibt ein paar technische Probleme, die ich bis zur Einschiffung nicht gelöst kriege. Heißt: Ich habe weder boarding Pass noch Gepäckanhänger. Auf Mails reagiert Cunard nicht.
Nach dem Frühstück mache ich einen Spaziergang durch Red Hook. Dieser Teil von Brooklyn scheint sehr vom Hafen und Handwerksbetrieben geprägt zu sein.
Zwischen den Häusern einer Seitenstraße erhasche ich den ersten Blick auf die Queen.
Am Terminal herrscht Ausschiffungschaos. Aber ich kann ein paar schöne Fotos machen. Mir gefällt diese Perspektive mit der Freiheitsstatue
bzw. Manhattan vor dem Bug.
Plötzlich ein Grollen von oben, und der Himmel öffnet seine Schleusen. Platsch. Von einer Sekunde auf die andere bin ich vollkommen durchnässt.
Zurück ins Hotel, Koffer wieder auspacken und trocken anziehen. Ich nutze die Zeit bis 12 Uhr fast komplett aus, um mich wieder aufzuwärmen.
Zum Glück hat der Regen so schnell aufgehört, wie er angefangen hat. Mit dem Gepäck im Schlepptau brauche ich jetzt etwa doppelt so lange bis zum Terminal wie heute früh. Aber für 400 Meter ein Taxi zu rufen, wäre wohl auch irgendwie bescheuert. Zum Glück hat der Koffer Rollen.
Am Terminal hat das Chaos sich gelegt. Es sind viele Koffer, aber kaum Leute da. Ich bin gut 1,5 Stunden zu früh. Aber Frechheit siegt. Ich erkläre, dass ich weder boarding Pass noch Gepäckanhänger habe. Beides wird in 2 Minuten ausgedruckt, und ich werde zum Check in durchgewunken. Dort braucht man für die Berichtigung meines Profils zwar eine Viertelstunde, aber anschließend kann ich sofort an Bord.
Wow, der Anblick der Grand Lobby verschlägt mir die Sprache.
In den Gängen stehen Crewmitglieder in den traditionellen roten “Bell Boy” Uniformen und weisen den Weg. Die Kabine ist zwar noch nicht fertig, aber das Handgepäck darf schon dort abgestellt werden.
Erster Rundgang. Dieses Schiff ist wirklich sehr elegant, stellenweise opulent, aber nie übertrieben. Und es ist riesig. Eine Runde auf dem Promenadendeck ergibt 550 Meter.
Drinnen überall Bilder, Skulpturen, Blumen. Zwischen den einzelnen Bereichen immer wieder kleine Ruhe-Oasen.
In der Grand Lobby steht ein automatisches Klavier, das längere Zeit vor sich hin klimpert. Ein älterer Herr sagt im Vorbeigehen zu seiner Frau: “Ich habe dir doch gesagt, das Schiff ist verhext”.
Um 14 Uhr ist die Kabine fertig und auch der Koffer schon geliefert.
Also kann ich mich einrichten.
Im Spa verkaufen sie Pässe für den Zugang zu Sauna und Thermalpool. Im Voraus kann man die für 59 $ pro 2 Stunden Zeitslot kaufen. An Bord gibt es Tagespässe für den gleichen Preis (!) und Wochenpässe für die ganze Reise für 149 $. Als Paket zusammen mit einer Massage 199 $. Dem kann ich nicht widerstehen und werde es noch sehr bereuen. Warum, erkläre ich später. Nur soviel vorab: lasst die Finger vom Spa der QM2. Ohne reist man entspannter.
Das Auslaufen verzögert sich um fast eine Stunde. Es geht das Gerücht, dass einige Flugzeuge erhebliche Verspätung hatten. Etwa 15 Personen sollen es nicht mehr an Bord geschafft haben.
Heißt für Leute wie mich, die die erste Sitzung für das Abendessen haben, dass wir die Passage der Verrazano Brücke verpassen - oder das Abendessen.
Ich bin an einem Tisch für 7 Alleinreisende gelandet, von denen 2 nie auftauchen.
Der Hahn im Korb kommt aus Illinois, war mal als Soldat in Wiesbaden stationiert und kann noch ein paar Brocken deutsch, die er stolz an mir ausprobiert. Die Gespräche werden aber allabendlich von der ehemaligen Krankenschwester dominiert, die als ehrenamtliche Begleitung für die “Greatest Generations” mitreist. Dies ist eine Stiftung für Veteranen der US Armee. Die Gruppe ist auf dem Weg nach Frankreich zu den Gedenkfeierlichkeiten zum D-Day. Der älteste der Männer ist 104 Jahre alt. Täglich gibt es im Rahmen der enrichment Talks Gesprächsrunden mit ihnen. Vielleicht sollte man die Despoten und Kriegstreiber dieser Welt einfach mal eine Woche mit den alten Leuten im Theater einsperren und hoffen, dass endlich Vernunft einkehrt. Andererseits ist die QM2 für diese Typen viel zu schade.
Dann haben wir noch die Frau aus Georgia, die letztes Jahr einen schweren Unfall überlebt hat und jetzt mit dieser Reise feiert, dass es sie noch gibt. Und die über 80jahrige Amerikanerin mit französischen Vorfahren, die von England aus durch den Eurotunnel fahren und eine Rundreise durch Frankreich machen will.
Nach dem Abendessen fällt mir auf, dass ich heute über Deck 7 nicht hinaus gekommen bin. (Es gibt 13 Decks, bei Cunard glaubt man nicht an den Klabautermann.)
Einmal tief Luft holen! Ich bin die ganze Woche hier und muss nicht alles heute sehen oder machen.
Das Theater befindet sich im Bug ganz unten. Die Reise wird mit einer Broadway Show eröffnet, mit live Band.
Tag 2
Der Wecker klingelt um 6. Ich bearbeite brav im Fitness Center eine halbe Stunde lang die Geräte. Gemessen an dem doch relativ hohen Altersdurchschnitt der Reisenden ist das Fitness Center gar nicht mal klein. Die Geräte sind von TechnoGym. (Übrigens ist das Casino gemessen daran, dass die Muttergesellschaft von Cunard carnival und somit amerikanisch ist, relativ klein.)
Um 8 habe ich meine Massage. Die ist gut, aber der Abrechnungsmodus überrascht. Von den 199 $ für das Gesamtpaket werden plötzlich 50 für den Wellnessbereich und 149 für die Massage abgerechnet. Wir erinnern uns: bei der Buchung war es genau umgekehrt: Wellnessbereich 149 $, mit Massage 199. Ergebnis: die Service Charge für die Massage wird auf der Grundlage von 149 statt 50 $ berechnet. Bei der Buchung war davon nicht die Rede. Da ich die Masseurin nicht um ihr Einkommen bringen will, beschwere ich mich nicht. Aber eine Randbemerkung werde ich an der Spa Rezeption doch los.
Ich möchte jetzt gleich im Wellnessbereich bleiben. Der Whirlpool funktioniert, der Thermalpool und die Sauna nicht. Technische Probleme, heute Nachmittag soll alles gut sein. Beim rausgehen treffe ich eine sehr erboste Mitreisende, die sofort ihr Geld zurück will. Sie hat einen Tagespass. Den hat sie nur gekauft, weil das Schiff im Herbst in der Werft war. Sie meinte, jetzt müsse doch im Spa endlich mal alles funktionieren. Bei ihren 3 vorherigen Reisen war immer irgendwas außer Betrieb.
Na gut, bei mir kriegen sie heute Nachmittag noch eine Chance. Ich gehe runter zum Queens Room.
Das ist der majestätische Ballsaal der QM2, gelegen im Heck auf Deck 3. Hier finden tagsüber Tanzkurse statt, nachmittags der berühmte Afternoon Tea und abends eben Bälle (dem eigentlichen Zweck eines Ballsaals entsprechend). Heute Vormittag gibt es einen Line Dance Kurs. Ich merke recht schnell, dass ich das nicht hinkriege. Ich bin immer genau dort, wo jemand anderes sein soll (und will). Außerdem habe ich den Eindruck, dass man mir die Auflösung für den gefühlten Knoten in den Beinen erst in Southampton verraten wird, wenn ich so weiter mache.
Abbruch der Aktion Line Dance. Hoch auf Deck 8, wo über dem Bug die größte Bibliothek auf See zu finden ist mit einer Auswahl von ca. 10.000 Büchern aller Genres. Auch eine recht große Zahl deutscher Bücher ist im Regal mit den Fremdsprachen zu finden. Jeder Gast kann 2 Bücher gleichzeitig kostenlos ausleihen. Reiseführer und Bildbände müssen in der Bibliothek bleiben und können dort angeschaut werden. Es gibt genügend Leseplätze mit Seeblick. Eine wunderbare Oase der Ruhe.
Da draußen die Sonne scheint, werfe ich mir Sonnencreme ins Gesicht und die Jacke über die Schultern. Auf dem Promenadendeck gibt es viele ultra gemütliche Liegesessel. Es ist immer ein Platz zu finden. Hier kann man auch in Ruhe lesen. Sehr verlockend, wenn man eigentlich brav eine Runde ums Schiff laufen wollte und dann in so einem Sessel hängen bleibt.
12 Uhr, Grand Lobby. “Clock change ceremony”. Punkt 12 läutet die Schiffsglocke. Der Kapitän hält seine tägliche Ansprache, die ein amerikanischer Mitreisender als “Rede zur Lage des Reichs von Queen Mary der zweiten” bezeichnet. Nach der 5minütigen Ansprache ist es 13.05 Uhr, so schnell kann eine Stunde vergehen. Das wiederholt sich täglich außer Sonntag. Sonntag gibt es nur die Ansprache ohne Zeitumstellung.
Heute verkündet Kapitän Hall, dass wir es die ganze Woche über mit sehr geringem Seegang, teils bewölktem Himmel und Temperaturen zwischen 13 und 16 Grad zu tun haben werden. Der für hohen Seegang gefürchtete Nordatlantik ist ein Ententeich!
Um 14.45 Uhr ist das Treffen mit den Leuten von Cruise critic. Eine bunte Mischung von Australien über Amerika, Großbritannien bis nach Österreich und Deutschland. Wir wollen zusammen zum Afternoon Tea. Nur sehr rechtzeitiges Erscheinen sichert einen Platz. Außer der Rezeption (wo quasi zu jeder Tag- und Nachtzeit Schlange gestanden wird), ist das hier das einzige Ereignis bzw. der einzige Ort an Bord, wo mit Massenandrang gerechnet werden muss. Wer nicht 30 Minuten vor Beginn da ist, kann sich seinen Tee und seine Scones im Buffet Restaurant holen.
Den Afternoon Tea im Queens Room muss man mindestens einmal pro crossing mitmachen! Es ist ein ziemliches Spektakel. Pünktlich um 15.30 Uhr erscheinen die Kellner mit den Teekannen in einer Teeparade, begleitet von live Musik und Applaus. Es werden ständig Sandwiches und süße Teilchen nachgereicht. Zum Schluss kommen die noch warmen Scones, wie in Großbritannien üblich mit clotted cream und Erdbeermarmelade. Unter den Briten in unserer Runde entsteht eine lebhafte Diskussion über die Frage, ob man zuerst die Marmelade oder zuerst clotted cream auf die Scones streicht. Selbst auf der Insel gibt es darüber Uneinigkeit.
Nach dem Tee schaue ich noch mal im Spa vorbei. Die Dame an der Rezeption reagiert genervt. Wo ich die Info her habe, dass auf dieser Reise der Thermalpool in Betrieb sei? So ein Quatsch, und wenn ich mit nur Whirlpool und Kräutersauna (die geht jetzt, aber die anderen Saunen nicht) nicht zufrieden bin, kann ich Erstattung bekommen. Die verlange ich dann auch und werde auf die schon ziemlich lange Liste aufgenommen.
Heute ist Red & Gold Gala Abend, also werfe ich mich entsprechend in Schale. Praktisch das ganze Schiff hält sich ab 18 Uhr an den Dress Code. Der heißt normalerweise “smart attire” (man sollte sich so anziehen, als wenn man ins Theater oder die Oper geht - jedoch dürfen die Herren auf die Krawatte verzichten und die Damen dürfen anstelle eines Kleides auch schicken Hosenanzug oder Rock und Bluse tragen). An den Gala Abenden führt an Anzug und Krawatte bzw. bodenlangem Abendkleid eigentlich kein Weg vorbei. Die meisten Herren tragen Smoking, und für die Damen wird der Gang von der Grand Lobby zum Britannia Restaurant zum Laufsteg für eine Modenschau der Extraklasse.
Es wird dazu “eingeladen”, das Thema zu beachten, das ist aber nicht Pflicht. Die Themen werden vor der Reise im online Reisekalender bekannt gegeben. Die wenigen Passagiere, die sich nicht an den Dresscode halten wollen, dürfen am Buffet essen oder roomservice ordern (roomservice ist ganztags ohne Aufpreis verfügbar). Außerdem darf man in unpassender Kleidung eine Lounge und G32 (die Disko) betreten. Heißt: wer keinen Spaß an schöner Kleidung hat, dem geht ein wesentlicher Teil des Erlebnisses “Transatlantik” verloren. Leute gucken am Gala Abend ist eine schöne Beschäftigung!
Es gibt als Begrüßung für alle ein Glas Sekt “vom Kapitän”.
Die heutige Production Show “Be my guest” ist die beste der Reise.
Am späteren Abend wird sowohl im Queens Room als auch im G32 heftig und ausgiebig getanzt.
Es sind mehrere “Dance Hosts” an Bord, die mit Alleinreisenden tanzen (oder mit Leuten, deren Partner Tanzmuffel sind). Abends ist (nicht nur am Gala Abend) der ganze Dampfer voller Live Musik. Man braucht nur eine Runde drehen und findet sicher etwas, das dem eigenen Geschmack entspricht. Ich bleibe nach meiner Runde durch die Tanzlokale eine Weile im Commodore Club im Bug auf Deck 9 hängen, wo ein Pianist spielt (ein echter, kein Geist wie in der Grand Lobby
Spät abends nochmal raus auf das Promenadendeck. Der Mond versteckt sich hinter den Wolken.